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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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die Flasche wieder ein. Warten Sie, bis Sie ihn lebend zurückbekommen haben; dann können Sie ihm Rauch ins Gesicht blasen oder ihm eine Wodkainfusion geben, ganz wie Sie wollen. Drücke ich mich klar aus? Haben wir uns verstanden? »
    »Ja.«
    »Ist seine Familie informiert?«
    »Es gibt eine Frau, die nicht seine Frau ist, und einen Jungen, der nicht sein Sohn ist. Der Junge war am Tatort anwesend. Kann mein Freund das alles hören?«
    » Ja und nein. Er liegt in einem künstlichen Koma, damit die Gehirnfunktionen aufrechterhalten bleiben. Worte sind nichts als Geräusche.«
    »Kann ich mit ihm sprechen?«
    »Aber bleiben Sie positiv.«
    »Arkadi - wegen Schenja. Das kleine Arschloch ist abgehauen, nachdem der Typ auf dich geschossen hatte. Seitdem hat ihn niemand mehr gesehen. Und jetzt kommt der Hammer: Der Typ hieß mit Nachnamen Lysenko. Genau wie Schenja.«
    »Fällt Ihnen vielleicht etwas Positiveres ein? Ich nehme an, der Täter, dieser Lysenko, wurde verhaftet.«
    »Er hat drei Kugeln in die Brust und zwei in den Kopf bekommen. Ich finde, das klingt positiv genug.«
     
    Arkadi bewegte sich bei der Jagd stromaufwärts, und wenn er mit der Fußspitze Steine anstieß, trieb das Sediment, das er aufwirbelte, davon. Die Wasseroberfläche glänzte hell und glatt, aber sein Schatten offenbarte Schwärme von Guppys, die über den runden, rot oder blau, grün oder schwarz gestreiften Steinen hin und her huschten.
    »Was jagst du lieber, Schmetterlinge oder Steine?«, fragte seine Mutter. »Kaninchen. »
    »Du hast nie gern Kaninchen gejagt.«
    »Ich hab’s mir anders überlegt.«
    »Tja, heute sind es Steine. Siehst du? Ich hab schon ein Netz voll. »
    Sie watete barfuß wie Arkadi im Wasser; mit der einen Hand raffte sie ihr Rüschenkleid hoch, in der anderen hielt sie das Schmetterlingsnetz. Von Zeit zu Zeit blieb sie stehen, um eine Botschaft zu empfangen. Nicht von Arkadi, sondern von Leuten, die nur sie hörte. Das Rauschen des Wassers übertönte ihre Gespräche.
    »Was sagen sie?«, fragte er. »Wer?«
    »Die Leute, mit denen du sprichst.«
    Sie lächelte verschwörerhaft. »Sie sagen, das menschliche Gehirn schwimmt in einem Meer von Zerebralflüssigkeit. » »Was sagen sie sonst noch?«
    »Du sollst keine Angst haben.«
     
    23:22 - ICP: 19 mm Hg, RR: 176 / 81, PR: 70
    »Verstehe, verstehe. Er wird sterben, und wenn er doch am Leben bleibt, ist er eine Kartoffel.«
    »Nicht unbedingt.«
    »Aber den Strapazen polizeilicher Ermittlungsarbeit ist er dann sicher nicht mehr gewachsen.«
    »Er könnte die ärztliche Erlaubnis bekommen, seine Arbeit wieder aufzunehmen. Aber das läge auch bei Ihnen. Sie sind der Staatsanwalt.«
    »Ganz recht. Mein Büro ist kein Rehazentrum.«
    »Meinen Sie nicht, dass wir hier ein wenig vorgreifen? Die Krise kommt heute Nacht. Wenn er sie übersteht, können wir den Schaden abschätzen. Offen gesagt, ich bin überrascht, dass wir Sie nicht schon eher gesehen haben. Auf Ihren Ermittler wird geschossen, vielleicht tödlich, als er einen Jungen vor einem bewaffneten Wahnsinnigen rettet, und niemand aus Ihrem Büro kommt her, um zu erfahren, wie es ihm geht.«
    »Mit Sicherheit wissen wir nur, dass man vor einem Casino auf ihn geschossen hat. Die weiteren Umstände des Zwischenfalls sind nebelhaft. Kann er hören?«
    »Nein.«
    »Was hat es dann für einen Sinn herzukommen? Rufen Sie mich morgen an, wenn er dann noch lebt.«
     
    Arkadi und seine Mutter sahen von ferne zu, wie Offiziere die Veranda schmückten.
    Sie seufzte. »Papierlampions. Hoffentlich regnet es nicht.
    Wir wollen ja nicht, dass die Party deines Vaters ins Wasser fällt.«
    »Was machen wir mit den Steinen?«, fragte Arkadi. Seine Taschen waren so voll, dass das Gehen schwerfiel.
    »Wir lassen uns etwas einfallen.«
     
    »Jetzt ist keine Besuchszeit. Wie sind Sie hereingekommen?«
    »Ich bin Ärztin, aber nicht seine.«
    »In welcher Beziehung stehen Sie dann zu ihm?«
    »In einer privaten. Sie haben trepaniert?«
    »Und drainiert.«
    »ICP?«
    »Fünf Millimeter über Normal, und der Höhepunkt ist noch nicht annähernd erreicht. Noch fünf Millimeter, und wir haben einen Exitus oder wenigstens eine dauerhafte Schädigung. Sehen Sie sich das Krankenblatt an. Was getan werden konnte, haben wir getan.«
    »Die anderen Werte sind nicht so übel.«
    »Aber auch nicht gut. >Privat<, sagen Sie, trotzdem sehen Sie nicht beunruhigt aus. Bitte erzählen Sie mir nicht, dass Sie kürzlich eine Beziehung beendet haben.

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