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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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»Willst du mich provozieren? »
    »Na ja, die Mongolen haben eine gewalttätige Vergangen-
    heit. Dschingis Khan, Tamerlan und so weiter.«
    »Du bist verrückt geworden.«
    »Kann sein. Das Komische an einem Kopfschuss ist, dass … » »Du solltest tot sein.«
    »Genau. Ich sollte.«
    »Hast du einen Blick auf die andere Seite werfen können?
    Hast du einen Tunnel und ein Licht gesehen?«
    »Ich hab ein Grab gesehen.«
    »Weißt du, genau das habe ich mir auch immer gedacht.« Leute strömten vorbei. Auf achtzig Jahre alte Bauern in vierzig Jahre alten Anzügen folgten Männer und Jungen in militärischen Tarnanzügen in schneller Marschkolonne und ein Schwarm hastig humpelnder Babuschkas. Ein halbwüchsiger Junge eilte mit seinem Vater und seinem Großvater vorbei. Sie waren ein herzerwärmender Anblick - drei Generationen in Tarnanzügen mit identischen Schulterklappen, auf denen ein roter Stern, ein Helm und eine Rose prangten.
    »Ein Freil uftclub? »
    »Die Ausgräber.«
    »Warum heißen sie so?«
    Urman zuckte die Achseln. »Sie graben. Sie graben, und sie lieben Nikolai. Sie sind das, was Wiley als Nikolais Basis bezeichnet. Sie brauchen jemanden wie ihn.«
    »Einen Massenmörder?«
    »Das ist der unbelegte Vorwurf eines hirngeschädigten Mannes. Das wird Staatsanwalt Surin sagen, Staatsanwalt Sarkisian wird es sagen und wir ebenfalls.«
    Auf der Bühne erreichte Isakow den Höhepunkt. »Russland hat mit einem Blutopfer von zwanzig Millionen Menschenleben die faschistische Invasion gestoppt. Erinnerungen an diesen Kampf finden sich noch heute in der Gegend von Twer.«
    Überwältigender Beifall.
    »Warum sind die Amerikaner hier?«, fragte Arkadi. »Nikolai hat Dynamik. Die Amerikaner sagen, Dynamik ist sehr wichtig in der Politik. Sie dachten, sie bauen einen Papierkandidaten auf, um die Opposition zu torpedieren. Aber jetzt schauen sie sich Isakow noch einmal an.«
    Der echte und der projizierte Isakow sprachen gleichzeitig. »Es ist unsere moralische Pflicht, Russlands Sicherheit zu schützen, seine ökonomischen Gewinne zu realisieren, die Korruption auszumerzen, die Diebe und Kungler namhaft zu machen, die das Vermögen des Volkes gestohlen haben, den Terrorismus rücksichtslos auszurotten, die Verteidigung des Vaterlands wiederaufzubauen, ohne uns bei jemandem dafür zu entschuldigen, die heuchlerische Einmischung des Auslands in unsere inneren Angelegenheiten zurückzuweisen, die traditionellen russischen Gebräuche und Werte zu fördern, unsere Umwelt zu schützen und unseren Kindern eine bessere Welt zu hinterlassen. Und ich werde niemals vergessen, dass ich einer von euch bin.« Er war noch nicht fertig. Ein Mädchen kam mit dem obligaten Blumenstrauß auf die Bühne und reichte ihm etwas, das Isakow an sein Revers heftete. Die Kamera zoomte heran, und auf der Videoleinwand sah man das Emblem mit Stern, Helm und Rose. Auch Isakow war ein Ausgräber.
    Hingerissener, leidenschaftlicher Beifall. Stehende Ovationen. » Isakow! Isakow!«
    »Was zum Teufel hat er da geredet?«, fragte Arkadi.
    »Es ist ein guter Abschluss des Wahlkampfs«, sagte Urman. »Es hatte einfach alles.«
    »Wie ein Obstsalat. Glaubst du wirklich, Isakow hat eine Chance?«
    »Er ist ein Gewinner, seit ich ihn kenne. Seit wir zu den Schwarzen Baretten gekommen sind. Es gibt zwölf Kandidaten. Er braucht nur eine Mehrheit.«
    Isakow hatte die Bühne noch nicht verlassen. Er trug das Mädchen von einer Seite zur anderen, und Rosen landeten zu seinen Füßen. Urman stimmte in den rhythmischen Beifall ein.
    »Warum ist er ausgestiegen?«, fragte Arkadi. »Wovon redest du?«
    »Als ihr euch bei OMON kennengelernt habt, war er gerade aus dem Universitätsstudium ausgestiegen.«
    »Es hat ihn gelangweilt. Er hatte die Nase voll von Büchern. Bei OMON haben sie uns was Nützlicheres beigebracht: Zuerst zuschlagen und dann immer weiterschlagen. »
    »Ein guter Rat. Aber er war ein Fünf-Punkte-Student, der Beste seines Jahrgangs, und in seiner letzten Woche wirft er alles hin, die ganze harte Arbeit. Das sieht für mich nicht nach Langeweile aus. Da ist etwas passiert.«
    »Du gibst nie auf, was?«
    »Es ist eine unschuldige Frage. Du wirst mich sowieso umbringen, sobald du grünes Licht kriegst.«
    Urman beugte sich herüber und sagte in vertraulichem Ton: »Weißt du, wie ich einen Feind umbringe? Als Erstes schneide ich ihm die Hoden ab …«
    »Und dann brätst du sie, und dann frisst du sie und so weiter und so fort. Das hab ich

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