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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Der einzige echte Kandidat der Partei war Isakow; er stand vor dem anderen Wohnwagen mit Urman und zwei Gestalten, die Arkadi seit dem Metropol Hotel nicht mehr gesehen hatte: die amerikanischen Polit-Zauberer Wiley und Pacheco. Isakow war ganz in Schwarz gekleidet. Schwarz war die Lieblingsfarbe des Neuen Russland für deutsche Autos und italienische Anzüge, aber Isakow wirkte ruhig wie ein Filmschauspieler, der sich mit seinem Gefolge entspannt. Wileys feines, über die Glatze gekämmtes Haar hob sich im Wind.
    Arkadi fragte sich, warum die Männer draußen standen.
    Warum benutzten sie nicht den Wohnwagen?
    Er rief Evas Handynummer an und beobachtete die Gruppe.
    Beim ersten Klingeln schauten Isakow und Urman zum Wohnwagen hinüber.
    Beim zweiten sahen sie einander an. »Hallo?«
    »Ich bin’s«, sagte Arkadi.
    »Bist du in Moskau?«, fragte Eva. »Sag mir, dass du wieder in Moskau bist.«
    »Nicht ganz. Geht’s dir gut?« Die Frage erschien Arkadi angemessen für eine Frau, die mit einem Mörder zusammenlebte.
    »Warum nicht? Ich brauche nur Zeit zum Sortieren.«
    »Du hast gesagt, wir reden miteinander.«
    »Nach der Wahl.«
    In diesem Augenblick kam ein Krächzen aus den Bühnenlautsprechern. Eva erschien am Wohnwagenfenster. Sie hatte gehört, was er gehört hatte.
    »Du bist hier?«
    »Das hier ist besser als Zirkus.«
    »Fahr nach Hause. Du bist in Sicherheit, wenn du nach Hause fährst.«
    »Wer hat dir das gesagt?«
    Isakow stieg in den Wohnwagen, und Eva verschwand.
    Worte wurden gemurmelt. Arkadi hörte, wie Isakow »bitte« sagte, und er spürte, wie das Handy aus Evas Hand in Isakows wechselte.
    »Renko?«
    »Ja.«
    »Bleib, wo du bist«, sagte Isakow.
    Arkadi sah, wie Isakow die Tür öffnete und mit Urman sprach, und der klappte sein Handy auf und wählte eine Nummer. Arkadi wusste, welche Nummer es war, als Selenskis Teleobjektiv über die Zuschauermenge schwenkte und sich dann auf ihn richtete wie das Zielfernrohr eines Gewehrs.
    Arkadis Bild strahlte auf der Videoleinwand auf, aber nur eine Sekunde lang, dann kam Isakow auf die Bühne.
    »Ihr kennt mich. Ich bin Nikolai Sergejewitsch Isakow aus Twer, und ich stehe für Russland.«
    Frenetischer Applaus, wie man zu sagen pflegte, dachte Arkadi.
    Isakow beschrieb eine Nation, die belagert war von religiösen Fanatikern und zwielichtigen Allianzen. Die Welt draußen war voll von Atomsprengköpfen, menschlichen Bomben und unzuverlässigen Freunden. In der näheren Umgebung war die Heimat umzingelt von Vampiren, die Russland seiner Schätze beraubt und, was noch schlimmer war, seine Werte und Traditionen zerrüttet hatten. Es war eine ganz alltägliche Tirade, aber was nahmen die Menschen schon tatsächlich von einem solchen Ereignis mit nach Hause?, fragte sich Arkadi. Dass Nikolai Isakow die Darstellung auf einer Großleinwand überstand. Dass er auf eine harte, erfahrene Art gut aussah. Dass er befehlsgewohnt war. Dass er einer aus ihrer Stadt war, ein Sohn Twers. Dass sie die Hand ausgestreckt und einen Helden berührt hatten.
    Urman tauchte neben Arkadi auf. »Ich glaube, diese Kugel hat dir wirklich das Gehirn verwirrt. Du solltest so weit weg von hier sein, wie es nur geht.«
    »Auf den Gedanken bin ich auch schon gekommen, aber ich wollte Isakow persönlich hören.«
    »Und was hältst du davon?«, fragte Urman.
    »Er wechselt vom Mord in die Politik. Ist das ein Schritt nach oben oder einer nach unten? Was meinen die Amerikaner?«
    »Die sind zufrieden. Ich hab ihnen gesagt, du seist harmlos.
    Bist du harmlos?«
    »Wie ein Baby.«
    »Warst du gestern Abend im Hotel ein Baby? Willst du mich verarschen? »
    »Oh, das würde ich nicht wagen. Ich will ja nicht meine Zunge verschlucken.«
    »Denn ich könnte dich auf der Stelle erledigen.«
    »Das bezweifle ich. Nein, nicht auf einer Kundgebung wenige Tage vor der Wahl. Wiley ist ein Experte. Er kann dir erklären, welche negativen Auswirkungen ein Mord auf eine Kundgebung hat. Nein, ich glaube, mir ist hier eine kleine Atempause vergönnt.« Arkadi hatte Isakows Rede ausgeblendet, aber jetzt klatschte er höflich. »Was für ein herrlicher Tag für eine solche Veranstaltung. Du bist ein Glückspilz. Aber was bist du eigentlich genau? In Tschetschenien warst du stellvertretender Kommandant unter Isakow. Bei der Kriminalpolizei bist du sein Partner. Jetzt bist du sein Wahlkampfleiter? Und was als Nächstes? Seine Fußbank? Sein Stiefellecker?«
    Urman antwortete halb lachend, halb seufzend.

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