S.T.A.L.K.E.R. 01 - Todeszone
sortierte er eine grobkörnige Aufnahme aus und betrachtete sie zum wohl hundersten Mal. Er konnte sich nicht helfen, die zahlreichen kleinen Schatten, die auf dem Luftbild zu sehen waren, mochten wirklich die Stellen sein, an denen sich die Touristen im Augenblick der Energieentladung befunden hatten.
Aber konnten Menschen oder gar ganze Busse auf einen Schlag rückstandsfrei verglühen? Mussten nicht trotzdem kleinste Asche- oder Schlackereste zurückbleiben?
Und was sollte eine solche Entladung auslösen? Ein atomarer Sprengsatz konnte es nicht sein, keine der durchgeführten Geigerzählermessungen hatte erhöhte Strahlungswerte ergeben. Was kam aber sonst als Ursache in Frage?
„Muss denn der Fernseher wirklich die ganze Zeit laufen?", fragte ihn Alina, bevor sie seinen Teller abräumte. „Sie senden doch sowieso überall die ganze Zeit dasselbe."
Auf dem Teller in ihrer Hand befanden sich nur noch Soßenreste. Er hatte seine Piroggen zum Glück aufgegessen, sonst wäre ihre Ansprache noch schärfer ausgefallen. Alexander hob die Fernbedienung und drückte auf die Stumm-Taste. Die Kommentare aus den Lautsprechern brachen ab, doch das Bild flackerte munter weiter. Das schien ihm ein fairer Kompromiss zu sein.
„Die Angelegenheit geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf, entschuldigte er sich. „Über dreißig Leute sind praktisch vor den Augen unseres Militärs spurlos verschwunden. Wie ist das nur zu erklären?"
Alina blieb neben ihm stehen und sah auf die Fotos hinunter. Früher hatte er Berufliches und Privates strikt voneinander getrennt und war darauf bedacht gewesen, die Familie nicht mit seinen Fällen zu belasten. Doch das hatte ihn irgendwann innerlich aufgefressen. Inzwischen weihte er Alina in alles ein, selbst in Dinge, die er seinen Kollegen vorenthielt.
„Glaubst du, die anderen Vermissten der letzten Jahre hat ein ähnliches Schicksal ereilt?", fragte sie.
Alexander hob die Schultern. „Gut möglich", gestand er, „aber wie sollen wir das überprüfen, wenn wir nicht einmal annähernd wissen, was eigentlich vorgefallen ist."
„Aber diesmal gibt es doch eindeutige Spuren", beharrte sie, plötzlich ganz Kriminalistin. „Du musst doch eine Theorie haben, was diese Brandflecken bedeuten."
Sie zeigte auf eine Nahaufnahme, die er selbst mit seiner billigen Digitalkamera geschossen und auf dem Laserprinter seines Sohnes ausgedruckt hatte. Auf dem Bild zeichneten sich innerhalb des dunklen Flecks deutlich die Umrisse zweier Schuhsohlen ab. Er hatte eigenhändig eine kleine Probe der weichen, mit dem Asphalt verschmolzen Substanz abgekratzt und ins Polizeilabor gegeben, war sich aber bereits sicher, dass es sich nur um Kunststoff handeln konnte.
Wenn der zurückgeblieben war, warum dann nicht mehr? Warum keine weitere Asche?
„Glaubst du, diese Menschen leben noch?", fragte sie.
„Ich hoffe es", seufzte er. „Schon allein des Jungen wegen."Obwohl er nicht viel auf die Sensationstouristen gab, die immer stärker in ihre Stadt einfielen, tat es ihm doch um die Reisenden Leid. Solch ein Schicksal hatte wirklich keiner verdient.
„Wie alt ist dieser David?", fragte Alina mit einem leichten Zittern in der Stimme.
Als er zu ihr emporblickte, bemerkte er in, ihren Augen einen feuchten Schimmer. Da wusste er, was ihr durch den Kopf ging. Auch ihn quälte die Angst, eines Tages ein Schicksal wie die Touristen zu erleiden und dabei zwei Kinder als Halbwaisen zu hinterlassen.
„Älter als Wasili", antwortete er leise. „Aber nicht viel."
Er wollte noch etwas anfügen, doch im gleichen Moment erschien Oberst Pynsenyk auf dem Bildschirm. Der Hund gab also doch noch eine Pressekonferenz. Alexander drückte die Fernbedienung und hob die Tonsperre wieder auf.
„... handelt es sich allem Anschein nach um einen Anschlag ausländischer Terroristen, die unsere Gesellschaft destabilisieren wollen", fantasierte sich Pynsenyk gerade munter zusammen. „Der Unfall von 1986 hat das Kraftwerk weltweit bekannt gemacht, deshalb dient es nun vielen Wirrköpfen als eine Art Monument, das sie weiter in den Schmutz ziehen möchten. Unsere Regierunghat deshalb entschieden, eine militärische Sperrzone zu errichten, die nur noch von Mitarbeitern des Kraftwerks betreten werden darf. Auf diese Weise erhoffen wir uns ..."
„... alle missliebigen Untersuchungen zu unterbinden", vollendete Alexander den Satz nach eigenem Gutdünken und brachte den Oberst per Knopfdruck zum Schweigen. „Hat der Kerl also
Weitere Kostenlose Bücher