S.T.A.L.K.E.R. 02 - Inferno
sein Fleisch auseinanderplatzen. Verbissen presste er die Lippen aufeinander, konnte aber trotzdem nicht verhindern, dass ihm ein lautes Stöhnen entfuhr. Als der Stromfluss endlich abbrach, wirkten die Schmerzen noch lange Zeit in seiner Muskulatur nach.
„Dobrynin", erinnerte die Stimme knapp.
„Leck mich", keuchte David und kämpfte gegen eine Welle der Übelkeit an.
Niemand ging auf die Beleidigung ein, doch die Handkurbel begann erneut zu surren.
David spannte alle Muskeln an und zerrte an den Fesseln. Selbst durch den Overall hindurch schnitt das Seil tief in beide Arme ein. Aber die dadurch entstehenden Schmerzen waren geradezu lächerlich im Vergleich zu den Stromstößen.
Unter seinen freigesetzten Kräften begann die Lehne zu knarren. Der Stuhl schien nicht sonderlich stabil zu sein.
David fing an, den Oberkörper vor- und zurückzuwerfen in dem Versuch, nach hinten überzukippen. Wenn er mitsamt dem Stuhl zu Boden krachte, brach das Ding vielleicht unter seinem Gewicht auseinander. Dann hatte er eine reelle Chance, sich zu befreien.
Mehrere Hände packten den rutschenden Stuhl und fixierten ihn, um Davids Pläne zu durchkreuzten. Trotzdem gebärdete er sich wie wild, denn das war alles, was er machen konnte. David rechnete schon die ganze Zeit damit, das man ihn mit Gewalt zur Ruhe bringen würde. Doch kaum prasselten die ersten Schläge tatsächlich auf ihn ein, schnitt eine harte Stimme durch den Raum.
„Was ist hier los, verdammt noch mal? Sofort einstellen, den Unsinn, oder ich bringe sie alle vors Militärgericht!"
David erkannte die Stimme, glaubte aber zuerst, einem Irrtum zu unterliegen. Erst, als sich die Verschnürung um seinen Hals löste und der Leinensack in die Höhe fuhr, wurde seine stille Vermutung zur Gewissheit.
Vor ihm stand Alexander Marinin.
Wut und Empörung hatten das chronisch bleiche Gesicht stark gerötet. Die gute Durchblutung ließ den Major überraschend gesund und äußerst gefährlich aussehen. Die Rangabzeichen seiner Uniform erledigten den Rest.
Niemand wagte, sich ihm entgegenzustellen.
David blinzelte mehrmals, um seine Pupillen an das grelle Licht einer nackten, nur an Kabel und Fassung von der Decke baumeln-ien Glühbirne zu gewöhnen.
Der knapp vier mal acht Meter große Raum, in dem er saß, wurde scheinbar regelmäßig für Befragungen dieser Art genutzt. Alle vier Wände und die Decke waren mit angeschraubten Dämmplatten schallisoliert, der graue Betonboden wies zahlreiche rot eingetrocknete Flecken auf. Außer mehreren Stühlen, dem Handtrafo und drei Wassereimern gab es keine weiteren Einrichtungsgegenstände.
Die vier Soldaten in der sandfarbenen Flecktarnuniform, die David gefoltert hatten, standen stramm, die Hände respektvoll an der Hosennaht. Ihre schwarzen Barette trugen sie nicht auf dem Kopf, sondern zusammengerollt unter der linken Schulterklappe, lach Art der Spetsnaz. Abzeichen für die Truppenzugehörigkeit fehlten dagegen, ebenso aufgestickte Namenszeichen. Ein weite-:es Indiz, das für die Spezialtruppen der ukrainischen Armee sprach.
„Wir handeln auf Befehl von General Simak", verteidigte sich der Offizier der Gruppe, ein Unterleutnant. Der Stimme nach handelte es sich um den Knaben, der das Verhör geführt hatte. „Wir sollten sicherstellen, dass Rothe der Belastung eines verdeckten Einsatzes gewachsen ist. Wenn er bei der ersten scharfen Befragung zusammenbricht, ist er nutzlos für uns."
Marinin fixierte den Unterleutnant mit wütendem Blick. „Und indem Sie ihn dienstunfähig prügeln, stellen Sie seine Eignung fest - oder was? Lassen Sie David sofort losschneiden, oder ich sorge dafür, dass Sie den Test an seiner Stelle durchlaufen. Aber bis zum bitteren Ende! David untersteht ab sofort meinem persönlichen Befehl, das wurde vom Generalstab schriftlich angewiesen."
Mit diesen Worten zog er ein gefaltetes Dokument aus der Brusttasche und warf es dem Unterleutnant vor die Füße. Der protzige Stempel des Generalstabes unter einem mit der Maschine geschriebenen Text war auch auf die Entfernung gut zu erkennen.
„Alle anders lautenden Befehle, von wem auch immer, sind hiermit hinfällig", fuhr Marinin fort. „Ist das jetzt endgültig klar?"
Der Unterleutnant wollte etwas zu seiner Verteidigung vorbringen, das war ihm deutlich anzusehen. Doch am Ende zog er es vor zu schweigen. Mit fest aufeinandergepressten Lippen nickte er einem seiner Männer zu, der daraufhin ein Kampfmesser aus der Gürtelscheide zog und die
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