S.T.A.L.K.E.R. 03 - Apokalypse
der Wahrheit. So wie wir. Können wir dir irgendwie behilflich sein?"
Alexander richtete sich auf, behielt aber seine Rechte vor dem Mund und hustete demonstrativ weiter. Zusammen mit der tief ins Gesicht gezogenen Kapuze machte ihn das hoffentlich unkenntlich.
David fand sich nur schwer damit zurecht, dass er für viele Menschen in der Zone zu einer lokalen Berühmtheit, wenn nicht sogar zur Legende geworden war. Verlegen zupfte er an seinem linken Ohr, bevor er endlich die richtigen Worte fand: „Wir haben leider einen Teil unserer Ausrüstung verloren und möchten uns in eurem Lager neu eindecken."
Der Anführer der Wachen nickte, als hätte er mit einer solchen Bitte gerechnet. „Ja, natürlich. Du und der Major seid uns stets willkommen."
Im gleichen Moment, da er Alexander als Mitglied der ukrainischen Armee identifizierte, wanderten in den steinernen Gesichtern der übrigen Wachposten die Mundwinkel in die Höhe. Offenbar hatten ihn alle auf Anhieb erkannt. Und vermutlich würde der Versuch, sich durch das Gehuste unkenntlich zu machen, noch für viel Heiterkeit während langweiliger Wachzeiten sorgen.
Peinlich berührt ließ Alexander die Hand sinken.
„Ich bin kein Major mehr", erklärte er.
„Ich weiß", sagte der Sprecher der Wachen. „Sonst hätte ich schon Jiri auf seiner Balalaika spielen lassen." Bei diesen Worten deutete er auf den Stalker in der MG-Stellung. Jiri ließ es sich nicht nehmen, kurz zu ihnen herüberzuwinken. Danach streichelte er den Lauf seiner Waffe tatsächlich so zärtlich, wie es sonst nur Musiker mit ihren Instrumenten taten.
Alexander bedankte sich für das Entgegenkommen und machte sich mit David daran, die Stacheldrahtbarriere zu umrunden. Als sie dabei an einem kleinen, aus Wellblech gefertigten Unterstand vorbeikamen, blieben sie wie angewurzelt stehen. Denn irgendjemand hatte dort einige Steckbriefe der russischen Armee angebracht, auf denen Stalker aus der Zone gesucht wurden.
Auf dem neuesten von ihnen, der bisher weder Flecke noch Risse aufwies, waren ihre beiden Gesichter abgedruckt. Die verwendeten Fotos waren schon etwas älter, trotzdem waren sie gut darauf zu erkennen.
„Zehntausend Rubel Belohnung", las David laut vor. „Für uns beide zusammen. Ganz schön geizig."
„Nur keine Sorge", beruhigte sie einer der Wächter. „Jetzt, wo ihr hier seid, weiß jeder, dass ihr unter dem Schutz unserer Fraktion steht. Niemand wird es wagen, euch für diese lächerliche Summe dem Militär auszuliefern."
„Wollen wir es hoffen", antwortete Alexander leicht gequält, denn ihm war bewusst, dass es in Bezug auf andere Fraktionen schaden konnte, wenn man sie für Verbündete der Wächter hielt. Zum Glück verlangte niemand ein offizielles Bündnis von ihnen.
„Gibt es hier einen Bereich, wo wir uns etwas frisch machen können?", fragte er, das Wohlwollen des Postens nutzend.
Der Wächter empfahl ihnen eine Gemeinschaftsdusche, die allen Besuchern des Camps zur Verfügung stand. Danach gingen sie weiter.
Nun lag es offen vor ihnen ― das Wächterlager. Die größte Ansammlung von Halunken, die die Zone zu bieten hatte.
3.
IM 100 RAD
Über zwei Dutzend stark abgetretene Betonstufen ging es hinab in den Schankraum. Stockflecken und grüner Schimmel an den Wänden ließen alles andere als ein gehobenes Etablissement vermuten. Doch das sonore Stimmengewirr aus der Tiefe besaß etwas Vertrautes, irgendwie Heimisches, das die Schrecken der Zone wenigstens für ein paar Sekunden milderte.
Feine Rauchschwaden zogen die Treppe hinauf und kratzten im Hals, noch ehe David und Alexander unten angelangt waren. Wer im 100 Rad verkehrte, gab nicht viel auf eine gesunde Lebensweise. Nicht draußen in der Zone, nicht in diesem muffigen Keller mit der defekten Lüftungsanlage. Fast jeder der Anwesenden hielt eine filterlose Zigarette in der einen und ein mehr oder weniger gefülltes Glas Kosakenwodka in der anderen Hand. Dicke Rauchsäulen stiegen von den Tischen auf und vereinten sich zu einem zum Schneiden dicken Dunst.
Frisch geduscht und mit neuer Kleidung versehen, blieben David und Alexander am Fuß der Treppe stehen und ließen ihren Blick durch den großen, aber äußerst kärglich eingerichteten Raum schweifen. Der einzige Luxus, den es hier zu bewundern gab, bestand aus einfachen Holztischen und nackten Stühlen ohne Polster, die alt genug schienen, um noch aus sowjetischer Produktion zu stammen. Irgendjemand musste sie vor dem Sperrmüll bewahrt haben, auf
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