S.T.A.L.K.E.R. 04 - Zone der Verdammten
des Blutsaugers erinnerte.
Als ich noch klein war, hatte ich mit ein paar Freunden auf einer Baustelle gespielt. Bauarbeiter hoben tiefe Kavernen und Schächte auf unserem Hof aus. Eines Abends kletterten wir hinein und waren total glücklich darüber. Unter den betonverkleideten Rohren hin-durchzuklettern und eine anderthalb Meter dicke Schicht Erde über sich zu wissen, war außergewöhnlich und bedeutete pures Adrenalin.
Alles war wunderbar, bis zu dem Moment, als ich unter einen halb aus dem Grund ragenden Betonblock kletterte. Auf dem Block sprangen zu dem Zeitpunkt drei Äffchen wild herum — meine Kumpels. Der schwere Brocken verlor plötzlich seinen Halt, rutschte ab und drückte mich gegen den Boden. Und von oben kamen einige Kubikmeter Erdreich nach.
Ich wurde zwar nicht verletzt, steckte aber endgültig unter dem Block fest und konnte ohne fremde Hilfe nicht mehr heraus. Auch meine Kumpels konnten mir nicht helfen.
Es war Samstagabend, doch die Bauarbeiter wurden gefunden und alarmiert. Sie gruben mich aus. Bis dahin aber verbrachte ich mehrere Stunden lebendig begraben, ohne die Möglichkeit, mich zu bewegen oder tief durchzuatmen.
Den ganzen nächsten Monat behandelte man mein Trauma. Den Psychologen gelang es scheinbar, mich wieder auf Vordermann zu bringen. Und ein Jahr später fiel mir ein Buch von Edgar Ellen Poe in die Hände.
Als ich die Erzählung „Lebendig begraben" las, fühlte ich mich wieder zurückversetzt, in den Betonsarg der Baustelle. Zusammen mit der Hauptfigur durchlebte ich noch einmal den Horror eines Begräbnisses bei lebendigem Leibe und vollem Bewusstsein, den ich ein Jahr zuvor selbst mitgemacht hatte.
Nach der Lektüre fand ich keinen Schlaf mehr — in der Dunkelheit kam es mir vor, als würde die Zimmerdecke langsam und unaufhörlich herabsinken, um mich zu zerquetschen. Ich bekam keine Luft, es war, als läge ich wieder unter dem Betonblock. Ich hatte panische Angst, dass ich am nächsten Morgen nicht mehr aufwachen und man mich beerdigen würde — und ich erst im Sarg zu mir käme. In einer engen Holzkiste, in der man sich nicht drehen, sich nur mit dem ganzen Körper gegen die festen Wände stemmen konnte, die aber nicht nachgeben würden. Mir war klar, dass ich in einer solchen Situation den letzten Funken klaren Verstands verlieren und wimmernd auf den sicheren Tod warten würde ...
Damals blendete ich, um dem zu entgehen — schon der Panik davor —, alle unterbewussten Phobien und Ängste in mir aus. Aus einem höflichen, lesebegeisterten Jungen, den sogar die Hunde auf der Straße drangsalierten, wurde ein gerissener Spezialagent und späterer Veteran — ein Stalker.
Ich brach mit meinem alten Naturell und machte mit strengem, unmenschlichem Training aus meinem Körper eine gut geölte Kampfmaschine. Auf der Suche nach dem Adrenalinkick bewährte ich mich an mehreren Brennpunkten der ehemaligen UdSSR. Unter anderem wurde ich aus kürzester Entfernung von islamistischen Kämpfern beschossen, der Hubschrauber, in dem ich saß, brannte, doch ich schaffte es mit nur einem Munitionsstreifen, den bis zu den Zähnen bewaffneten Gegnern zu entkommen.
Ich hatte nie wieder — bis heute — so eine Panik und Angst verspürt, wie jenes Mal, als ich mich von allen Seiten unentrinnbar umschlossen glaubte.
Und jetzt schlug ich wieder kraftlos gegen Wände — die des Stahlsargs, nicht in der Lage auch nur das Geringste zu unternehmen. Ich steckte das Messer zwischen mich und die Schaufelwand und versuchte unbeholfen, ein Loch zu graben, indem ich Erde zu mir schaufelte. Jedoch stellte ich sofort fest, dass ich in diesem Tempo nicht einmal in einem Monat eine geeignete Öffnung geschaffen hätte. Außerdem hatte ich keinen Platz für die abgetragene Erde.
Der Versuch, jemanden über das PDA zu erreichen, und seien es meine eigenen Ex-Kameraden, schlug fehl. Die dicken Stahlbarrieren ließen kein Signal passieren.
Ich spürte, dass ich die Kontrolle über meinen Verstand verlor, und nur mit enormer Willensanstrengung gelang es mir, eine Panikattacke zu unterdrücken.
Ruhig,wiederholte ich immer wieder,ruhig, ruhig, ruhig. Beweg dich nicht, Bastard. Das Schlimmste, was dir in den nächsten Stunden passieren kann, ist eine Nierenentzündung. Stell dir einfach vor,du hättest dich zum Schlafen in die Baugrube gelegt. Oder angenommen, du musst den Blowout abwarten und bist deswegen unter die Schaufel geklettert. Wenn der Blowout vorbei ist, kannst du problemlos hier
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