S.T.A.L.K.E.R. 04 - Zone der Verdammten
Schicht, die vom Wind gewellt wurde, bewegte sich schwach einige Zentimeter über seinen Zügen.
Ich blieb sofort stehen und bedeutete den Jägern mit einer Geste, es mir gleich zu tun.
So ein Mistding.
In dem Spiegelfleck lag Alan vom „Schuld"-Clan — ich erkannte ihn auf Anhieb. Er war vor zehn Monaten spurlos in der Zone verschwunden.
Hierher hatte es ihn also verschlagen.
Er lag seit fast einem Jahr in den Sümpfen, und dafür hatte er sich verdammt gut gehalten. Seine Tarnjacke und Waffen wirkten wie neu, die langen Haare wogten leicht im Wasser auf und ab, hin und her, und die weit geöffneten Augen waren von jeglichem Verwesungsprozess verschont geblieben. Er sah aus wie ein Mensch,der mit offenen Augen eingeschlafen war. Oder nein, eher wie eine Schaufensterpuppe — oder eine Wachsfigur.
Plötzlich bewegten sich die Augen von Alan und starrten mich unverwandt an.
Sein Gesicht zuckte, die Oberfläche des Wassers wurde unruhig. Er sah mich.
Mich schauderte, obwohl ich solche Dinger, die Stalker in Sümpfen verschluckten, schon mehrfach gesehen hatte. Dabei blieb der Mensch am Leben, war nur unfähig, sich zu bewegen. Niemand wusste, ob es sich bei dem Phänomen um heimtückische Organismen oder Anomalien handelte. Niemand wusste, wie dieses Grauen funktionierte.
Spiegelflecken — so nannten wir die schrecklichen Dinger, vor denen man sich in den Sümpfen so gut wie nicht retten konnte. Wenn sie dich spürten,verfolgten sie dich beharrlich selbst über Kilometer — bis sie dich schließlich hatten und verschlingen konnten.
Zum Glück beruhigte sich der Fleck, wenn er einen Menschen hatte, und beachtete die anderen nicht mehr. Die silberfarbenen Sphären tauchten periodisch mal hier und mal dort mit ihren Gefangenen auf, um nach einigen Stunden wieder zu verschwinden. Einige der Vermissten sah man erst Jahre später in solchen Flecken wieder, und sie waren immer noch am Leben.
Alan öffnete die Lippen zu einem tonlosen Schrei, und sofort geriet ihm Sumpfwasser in den Mund. Sein Körper zitterte vor Krämpfen, aber er war immer noch nicht in der Lage, einen Arm oder ein Bein zu bewegen.
Was für ein schrecklicher Tod, schoss mir die bekannte Phrase durch den Kopf, die auch irgendetwas mit Sümpfen zu tun hatte. Wenn Ihnen Ihr Verstand und Ihr Leben etwas bedeuten, so gehen sie nicht nach Einbruch der Dunkelheit in die Sümpfe, dort herrschen die Kräfte des Bösen.
„Wir müssen ihn rausholen", sagte Camacho hinter meinem Rücken.
„Das ist unmöglich", antwortete ich.
„Dann müssen wir ihn erschießen!"
„Auf gar keinen Fall!", protestierte ich. „Dann wird sich der Spiegelfleck einen von uns schnappen. So, es reicht! Weiter geht's!"
Wir setzten unseren Weg fort, im neunzig Grad Winkel zur alten Route. Der quecksilbrige Fleck beachtete uns überhaupt nicht.
Schon bald überquerten wir die alten Eisenbahnschienen, und vor unserem Auge erschien eine ausgedehnte Wasserfläche ohne das kleinste Anzeichen von Festland. Die Umrisse des gegenüberliegenden Ufers konnte man im Nebel kaum erkennen. Ich machte einen Schritt vorwärts ... und fand mich im Wasser wieder, das mir bis zu den Hüften reichte.
„Sollen wir dir nach?", fragte Donahugh unglücklich.
„Mir nach", bestätigte ich. „Es ist nicht mehr weit."
„Und wenn es tief ist?", fragte Pustelga.
„Dann schwimmen wir", beruhigte ich ihn. „Entspann dich. Keine Sorge. Das Wasser reicht nur bis zum Hals, nicht weiter."
„Oh, Mist!", seufzte Stezenko. „Ich muss wieder eine blöde Frage stellen: Warum marschieren wir nicht weiter über die Schienen und umgehen den Sumpf?"
„Das ist der einzige Weg zum Sumpfdoktor", sagte ich. „Das Ufer dort drüben ist dicht. Die Schienen auch. Dort, wo wir sie übertreten haben, ist die einzige weniger riskante Stelle. Wenn man nur dreißig Meter nach rechts oder links abweicht — Fallen. Na los, Herrschaften. In der Zone ist der scheinbar einfachste und kürzeste Weg nicht immer der richtige."
Wir liefen durch das hüfthohe Wasser. Der Pegel stieg langsam an und reichte uns bald bis zur Brust. Gallager und Camacho, die gerade dran waren, He-He zu tragen, mussten sich verdammt anstrengen, um den Kopf des Verletzten über Wasser zu halten.
Mischa Pustelga schaffte es zu stolpern und eine ziemliche Menge Sumpfwasser zu verschlucken. Danach bewegte er sich eine Weile fluchend und spuckend weiter.
Schon mehrfach auf diesem Trip hatte mich meine Stalkerintuition vor großem Ärger
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