Star Trek - VOY - 014 - Das schwarze Ufer.rtf
dem sich die Schatten zu massiver Schwärze zu verdichten schienen. Für den
Hauch eines Augenblicks glaubte Chakotay, in jener
Finsternis etwas zu erblicken, das noch dunkler war als die Schwärze. Er spitzte die Ohren und versuchte, mehr zu hören als nur das Heulen des Winds. Knurrte etwas in der Dunkelheit?
Er setzte sich wieder in Bewegung, entschlossen dazu, dem Wesen jenseits der Felsen gegenüberzutreten.
Doch es war schneller als er und erreichte die schmale Passage vor ihm. Aus einem Reflex heraus griff
Chakotay nach seinem Phaser, doch die Hand blieb leer
– er hatte die mentale Reise ohne Waffen und Technik angetreten.
Die fremde Entität füllte den Durchgang mit ihrer
schwarzen Präsenz. So sehr sich Chakotay auch
bemühte: Er konnte keine Einzelheiten des knurrenden Geschöpfs erkennen. Finsternis verhüllte seine Gestalt.
Der Erste Offizier vermutete, daß sich ihm das Wesen erst dann offenbaren würde, wenn er ganz nahe
herankam – und dann konnte er ihm nicht mehr
entrinnen. Er schnupperte, roch eine Mischung aus
Moschus, Pelz und Blut. Der seltsame Geruch ließ
Übelkeit in ihm entstehen.
Etwas näherte sich ihm auf vier Beinen. Für einen
Augenblick dachte er an seinen Seelenfreund, aber
dann sah er glitzernde grüne Augen – die erste Farbe in dieser öden Landschaft – und spitze weiße Zähne…
Das Geschöpf wirkte wie eine Mischung aus Wolf und
Bär, wies die gefährlichsten Aspekte beider Tiere auf.
Chakotay bemerkte einen großen, muskulösen Leib,
von zotteligem Fell bedeckt, außerdem ein Maul voller elfenbeinfarbener Reißzähne. Dampf drang aus den
Nüstern, und der heiße Atem traf den Indianer wie die Hitze eines Fusionsreaktors. Das zornige Knurren
wurde so laut wie das Donnern eines nahen Gewitters.
Chakotay warf einen Blick über die Schulter und stellte fest: Es gab keine Fluchtmöglichkeit für ihn. An den Sims hinter ihm schloß sich ein tiefer Abgrund an. Und ganz abgesehen davon: Er hatte die anstrengende
Kletterpartie nicht deshalb hinter sich gebracht, um jetzt zu fliehen. So erschreckend das Geschöpf auch wirken mochte: Es gehörte zu seiner Vision, stellte vielleicht sogar den wichtigsten Teil von ihr dar. Er mußte
herausfinden, welche Bedeutung ihm zukam.
»Ich grüße dich«, sagte er und richtete einen ruhigen Blick auf das Wesen. »Zwar kann ich meinen
Seelenfreund nicht finden, aber ich glaube, die Geister brachten mich hierher. Bist du ihr Botschafter?«
Grüne Augen starrten Chakotay an, während er auf eine Antwort wartete. Speichel tropfte vom Unterkiefer der Kreatur. Sie knurrte erneut – und griff an. Chakotay hob die Hände, doch der enormen Kraft des Wesens konnte
er nichts entgegensetzen. Mit der Wucht einer Lawine prallte der massige, pelzbedeckte Leib gegen ihn und warf ihn zu Boden. Das Maul schnappte nach seinem
Hals, und Klauen bohrten sich ihm in den Körper.
Chakotay schrie entsetzt, als ihm das Wesen das Herz aus der Brust riß!
Eine Sicherheitskomponente des Akoonah reagierte.
Ohne irgendeinen Übergang, von einem Augenblick
zum anderen, fand er sich auf dem Boden in seinem
halbdunklen Quartier wieder. Verwirrung erfaßte ihn. Wo befand sich das Geschöpf? Der Berg? Der eiskalte
Wind? Er tastete nach seiner Kehle, fühlte dort
unverletzte Haut und den intakten Kragen der Starfleet-Uniform.
Natürlich , dachte er. Es war nur eine Vision.
Normalerweise kehrte er langsamer in die Realität
zurück, doch die Sicherheitsfunktion des Akoonah hatte reagiert, als bestimmte Schaltkreise mentalen Streß
feststellten. Die Rückkehr erfolgte gerade noch
rechtzeitig. Noch immer klopfte ihm das Herz bis zum Hals empor, und er atmete tief durch, um wieder zu sich zu finden.
Das Quartier bot den gleichen Anblick wie zuvor; nichts hatte sich verändert. Noch immer lagen die
Gegenstände seines Medizinbeutels auf dem Boden.
Er sah sich um und rechnete halb damit, daß jenes
Wesen in irgendeiner Ecke lauerte.
»Licht«, sagte er, und der Computer reagierte sofort –
es wurde hell. Die Schatten wichen zurück, lösten sich auf. Chakotay löste das Akoonah von seiner Stirn und legte es aufs Tierfell neben Feder und Stein. Langsam und methodisch wickelte er den Medizinbeutel wieder
zusammen und ließ sich von diesem Ritual beruhigen.
Gleichzeitig versuchte der rationale Teil seines Selbst, die sonderbare Vision zu deuten.
Welche Botschaft kommt darin zum Ausdruck? fragte er sich. Eine lebensfeindliche Umgebung.
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