Star Trek Voyager Invasion 4 - Die Raserei des Endes
nichts, das eine derart intensive Furcht in ihr wecken konnte. Aber wie so oft kam es nicht auf die Theorie an, sondern auf die Praxis. Die Miene des Fremden berührte Janeway an den Wurzeln ihres Ichs, stimulierte eine Angst, die aus dem Reich des Unbewussten kam, erinnerte sie an die Alpträume ihrer Kindheit.
Das Geschöpf trug die Zeichen des Tiers.
Als Janeway ein kleines Mädchen gewesen war, hatte ihre Mutter aus jener Geschichte von Kipling vorgelesen. Schon damals hatte sie der Rationalität den Vorrang gegeben und es für unsinnig gehalten, dass Pferde Böses unter der Haut eines Menschen wittern konnten. Trotzdem war sie voller Furcht gewesen.
Jetzt verstand sie den Grund dafür. Rätselhaft blieb ihr das seltsame Gefühl von Vertrautheit. Ich habe diese
Ungeheuer schon einmal gesehen, dachte sie. Zumindest auf Bildern. Aber wo?
Eine Minute verstrich, während Neelix auch weiterhin mit dem Fremden sprach, und es gelang Janeway, Atmung und Puls wieder einigermaßen zu kontrollieren. Sie drehte den Kopf, sah Tuvok an und stellte etwas fest, das sie nicht für möglich gehalten hätte: Der Vulkanier war vor Angst regelrecht erstarrt.
Die Furcht, die Janeway bereits überwunden glaubte, kehrte schlagartig zurück, zuckte wie eine elektrische Entladung durch ihren Leib. Tuvok war entsetzt*
Es verblüffte sie, bei einem Vulkanier so intensive Gefühle zu beobachten. Sie wusste natürlich, dass die Bewohner des Planeten Vulkan Emotionen hatten, so wie alle anderen auch. Sie lernten allerdings, sie zu unterdrücken, zu verdrängen und zu ignorieren. Was Janeway in diesem Zusammenhang so sehr erstaunte, war dies: Offenbar gab es Gefühle, die eine solche Intensität gewinnen konnten, dass nicht einmal ein diszipliniertes vulkanisches Selbst damit fertig wurde.
Doch warum wirkte der Anblick eines fremden Wesens so nachhaltig auf die Neurophysiologie eines Vulkaniers? Vielleicht erinnert sich Tuvok ebenfalls, dachte Janeway. Vielleicht erinnert er sich nicht nur an das Bild, sondern auch an den damit einhergehenden Schrecken.
Verwirrung erfasste sie. Warum gingen ihr solche Gedanken durch den Kopf? Damit einhergehender Schrecken? Was bedeutete das?
Sie hörte, wie das Geschöpf seinen Namen nannte -Navdaq -, doch der Rest des Gesprächs blieb ihr praktisch verborgen. Der Grund dafür: Das Blut rauschte so sehr in ihren Ohren, dass sich fast alles andere in dem lauten Zischen verlor. Dem Vulkanier an ihrer Seite erging es noch viel schlimmer: Stocksteif stand er da, und seine Hand hatte sich so fest um den Rand des Portals geschlossen, dass Janeway fürchtete, die Finger könnten kleine Mulden im Metall hinterlassen.
Navdaq wollte höflich sein und richtete deshalb gelegentlich den Blick auf Janeway. Wenn das geschah, gewann sie jedes Mal den Eindruck, dass ein kleiner Teil von ihr starb. Sie hatte das Gefühl, mit einem Basilisken konfrontiert zu sein, dessen Starren sie in Stein verwandeln konnte.
Neelix wandte sich ihr zu, und zunächst blieben seine Lippen in Bewegung. Dann verstummte er und wartete eine Zeitlang. Kurz darauf bewegte sich der Mund des Talaxianers erneut, aber Janeway hörte nur das Rauschen in den Ohren.
Verwirrt runzelte Neelix die Stirn.
Worte filterten in ihr Bewusstsein, während ihr Blick auch weiterhin an dem Wesen festklebte.
»Assistentin… lange Reise… erschöpft.« Er erklärte ihr seltsames Verhalten, dem Himmel sei Dank.
Dadurch ersparte er ihr, mit Navdaq reden zu müssen, was sicher dazu geführt hätte, dass der Dämon ihre Seele stahl.
Dämon? Meine Güte, wie komme ich denn darauf? Ihr Ich schrumpfte mit jeder verstreichenden Sekunde, während sie vergeblich versuchte, den entsetzten Blick von dem… dem Dämon abzuwenden.
Sie fühlte sich in einem Alptraum gefangen, in dem sie den eigenen Willen verlor, und gleichzeitig wusste sie, dass Tuvok eine viel größere Demütigung hinnehmen musste. Ein Vulkanier, der seine emotionalen Reaktionen nicht kontrollieren konnte!
Dann endlich wandte sich das Etwas ab und stapfte in den schwarzen Schrecken eines Korridors, gefolgt von Neelix. Janeway spürte, wie das Grauen in ihr nachließ und sich auf eine tiefe Verlegenheit reduzierte, die nicht nur das Gesicht rot werden ließ, sondern den ganzen Körper.
Glücklicherweise blieb diese Reaktion in der Dunkelheit verborgen. Sie löste sich aus der Starre, ging so steifbeinig wie ein Roboter. Schließlich fielen die letzten Reste der Lähmung von ihr ab, und daraufhin
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