Star Wars™ Darth Plagueis
Erlösung.«
12. Kapitel
VERFÜHRT VON DER DUNKLEN SEITE DER MACHT
Der fügsame Waisenknabe stand zitternd im wirbelnden Schnee. Rings um ihn her ragten Eisspitzen in die Höhe, geformt wie schartige Zähne; frostiger Wind heulte zwischen ihnen hindurch. Plagueis stand ganz in der Nähe. Flocken von Schnee und Eis umkreisten ihn, ohne sich jedoch jemals auf ihn herabzusenken, da sie schmolzen, bevor sie ihn erreichten. Im Gegensatz zu Sidious mit seinem dünnen Schutzanzug trug der Sith-Lord lediglich einen Mantel, eine enge Hose und eine Scheitelkappe.
»Auf dieser Welt wurde ich mir meiner Machtkräfte und dunklen Regungen erstmals bewusst«, sagte Plagueis, laut genug, um sich über den Sturm hinweg Gehör zu verschaffen. »Verglichen mit dem gemäßigten Klima von Muunilinst ist Mygeeto unbarmherzig und unnachgiebig, doch ich lernte, mich an seine harschen Lebensbedingungen anzupassen, und bevor ich acht Jahre alt war, konnte ich mich bereits mit weniger in den heftigsten Sturm hinauswagen, als du jetzt trägst. Doch ich habe dich nicht hierhergebracht, um dich mit meiner Vergangenheit vertraut zu machen, Sidious. Würdest du einer Spezies angehören, die an derlei Bedingungen gewöhnt ist, hätte ich dich stattdessen auf einen Wüstenplaneten gebracht. Wärst du ein Wasserwesen, hätte ich dich auf dem Festland ausgesetzt. Die Kluft zwischen den Wegen der Macht, wie sie von den Sith und den Jedi praktiziert werden, hat weniger mit dem Unterschied zwischen Dunkelheit oder Licht zu tun als vielmehr zwischen, in deinem Fall, schierer Kälte und der Gegenwart von Wärme – zwischen Not und Bequemlichkeit, Chaos und Berechenbarkeit.«
Plagueis hielt inne, um Sidious zu mustern. »Dein Blut ist beinahe gefroren. Wenn du zu viel Zeit hier verbringst, wirst du sterben. Das wirst du zumindest anfangs denken, wenn die Dunkle Seite deine Witterung aufgenommen und sich an dich herangepirscht hat. Du wirst denken: Ich werde sterben, die Dunkle Seite wird mich umbringen. Und es stimmt, du wirst sterben, jedoch bloß, um wiedergeboren zu werden. Du musst das Wissen, was es heißt, ausgelöscht zu werden, tief in dein Innerstes aufnehmen. Du musst es bis ins Mark deiner Knochen fühlen, weil es immer so sein wird.« Plagueis lachte knapp. »Vielleicht klinge ich wie einer der Philosophieprofessoren auf diesem feinen Internat in Theed, das du besucht hast. Aber das hier ist keine Lektion. Ebenso wenig solltest du das Ganze als körperliche Konditionierung ansehen. Stattdessen müssen wir dich auf das vorbereiten, was dich erwartet, falls die Dunkle Seite gewillt ist, an dir Interesse zu zeigen. Die Verquickung von Furcht und Freude, davon, gedemütigt und ermächtigt zu werden, davon, auf höchste Höhen getragen zu werden, während man dich gleichzeitig wie ein Musikinstrument benutzt. Davon, auserwählt zu sein und dennoch von allumfassender Größe subsumiert zu werden.« Ein raubtierhafter Ausdruck trat in sein blasses Antlitz, als er sich Sidious näherte. »Nun erzähl es mir erneut, Schüler – und in allen Einzelheiten.«
Einmal mehr gestattete Sidious seinen Erinnerungen, sich zu entfalten, und er durchlebte das Verbrechen von Neuem – den Vorfall, als den er das Ganze mittlerweile betrachtete. Der schlaffe, blutverschmierte Leichnam seines Vaters. Die zertrümmerten Schädel der Leibwächter. Seine Hände, um den schlanken Hals seiner Mutter geklammert – allerdings nicht wirklich, bloß in seinem Geist; er hatte sie mit seinen Gedanken erdrosselt. Die leblosen Gestalten seiner Geschwister, hier und dort zusammengesackt … Dadurch, dass er es wieder und wieder erzählte, es immer wieder durchlebte, hatte er schließlich eine Art von Macht darüber gewonnen, die Fähigkeit, das Ereignis allein als das zu sehen, was es war, ohne Emotionen, ohne Wertung. Es war, als hätte sich das Ganze vor Jahren und nicht vor Monaten zugetragen und als habe jemand anderes das Verbrechen begangen. Als jener entscheidende Moment gekommen war, hatte sich in ihm eine Kraft der Verwandlung geregt, so finster wie das All ohne Sterne, geboren aus Hass und Furcht, jedoch eine, auf die er jetzt zurückgreifen konnte, um seinen Nutzen daraus zu ziehen.
»Sehr gut«, sagte Plagueis, nachdem Sidious seinen Bericht mit blauen, zitternden Lippen zu Ende gebracht hatte. »Ich kann spüren, wie du dich davon distanzierst, und fühle, wie deine Kraft immer mehr zunimmt.« Er taxierte Sidious weiter, während der Schnee zwischen ihnen
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