Star Wars™ Der Vergessene Stamm der Sith: Storys (German Edition)
Lärm draußen und auf den Stufen lauter wurde. Sie rief aus: »Fels von Kesh, rette unsere Tochter!«
Sie fühlte, wie ein Beben die Macht durchfuhr – schwach, beinahe wie ein Windhauch, ging es von dem Wandteppich aus.
Quarras Augen weiteten sich. Ja! Ohne Zeit zu vergeuden, um ihre historische Respektlosigkeit zu bereuen, zog sie den Stoff beiseite – und blickte in die Dunkelheit des versteckten Raums dahinter. Sie schlang Edells Arm um ihre Schulter und hastete mit dem Sith-Lord im Schlepp blindlings ins Nichts hinaus.
14. Kapitel
Zum zweiten Mal im Laufe von zwei Wochen sorgte sich Quarra um einen verletzten Mann, während ganz in der Nähe Sith umherpirschten. Allerdings hätten die Örtlichkeiten nicht unterschiedlicher sein können. Sie befand sich nicht in Jogans Signalstation oder auf dem Deck eines Schiffs. Sie war im größten Heiligtum von ganz Alanciar: in der Bibliothek von Adari Vaal.
Die Sith blieben draußen, vor dem Wandteppich, und das sehr lautstark. In den langen Stunden, seit sie hereingekommen waren, waren dort draußen nie weniger als drei Stimmen auf einmal zu hören gewesen. Hinauszugehen kam nicht infrage, doch sie hatte immer noch eine Chance, ihr Volk zu warnen. Zwei Stunden lang hatte sie ihre Machtsinne nach den anderen Gedankenrufern ausgestreckt, ohne sich darum zu scheren, ob die Sith ihre Präsenz wahrnahmen oder nicht. Die Macht war das einzige Kommunikationssystem, das die Sith nicht außer Kraft setzen konnten – zumindest dachte sie das. Zwischen dem Zorn, der von den Sith ausging, und dem beinahe schon giftigen Maß an Furcht, die sich in den letzten Tagen unter den Alanciari ausgebreitet hatte, hatte sie das Gefühl zu ertrinken, als sie in die Macht hineinrief. Es war unmöglich, dass irgendjemand verstehen würde, was sie zu sagen versuchte. Sie war zu erschöpft – und hatte selbst zu große Angst.
Und sie war wütend. Weitere lange Stunden über starrte sie Edell mit finsterer Miene an, während er schlief und sich von seinem Martyrium erholte. Er hatte sie die ganze Zeit über belogen. Sie kannte die schroffe Südküste. Dort gab es nicht viele Siedlungen oder Festungen: Die schneegekrönten Berge waren ihre einzige Verteidigung. Die Malheur konnte unbehelligt aufs Meer hinaussegeln. Allerdings war im Süden Herbst, weshalb die Alanciari-Seeleute die Südpassage mit ihren heftigen Polarströmungen und Eisflächen mieden. Hatte eine unerfahrene Mannschaft überhaupt eine Chance, den östlichen Ozean zu erreichen? Und würde Jogan sie davor warnen oder Stillschweigen bewahren, falls nötig bereit, mit ihnen unterzugehen? Und wenn er sie warnte, würden sie ihm dann überhaupt zuhören?
Erschrocken war Quarra bewusst geworden, dass sie nicht wirklich wusste, was Jogan tun würde. Sie hatte sich eingebildet, seine persönlichen Gedanken zu kennen, doch alles, was sie über ihn wusste, stammte in Wahrheit aus einem Stapel Nachrichten und ein paar Stunden an seiner Seite. Dennoch hätte sie für ihn fast ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt.
Und was war mit Edell? Er und sein Volk hatten ihre ganze Welt auf den Kopf gestellt, und trotzdem hatte sie ihn gerettet, selbst nachdem sie wusste, dass er gelogen hatte. Warum? Sie ließ sich die Szene in der Weltenwacht noch einmal durch den Kopf gehen. Edell schien anders zu sein als Bentado. Gewiss, Edell war ein Mörder, aber abgesehen davon war er ein Schöpfer, kein Kämpfer. Er schien an etwas Größerem interessiert zu sein. Doch waren Sith jemals an etwas Größerem interessiert als an sich selbst? Widersprach das nicht dem ganzen Sinn und Zweck, ein Sith zu sein?
Sie traute ihm nicht. Doch sie hatte es auch nicht über sich gebracht, ihn im Stich zu lassen. Was war nur mit ihr los?
Quarra schlief unruhig und erwachte häufig, wenn sie die Stimmen draußen hörte. Sie kamen jedoch nicht näher, und gegen Morgen fiel durch einen schrägen Schacht an der Decke Licht in den Raum. Zum oberen Ende hin wurde der Betontunnel zu schmal, um als Fluchtweg zu dienen, doch zumindest gab die Helligkeit ihr die Möglichkeit, etwas zu tun, solange der Hochlord schlief. Sie griff nach einem Buch.
Sie hatte dieselben Keshtah-Chroniken gelesen wie alle anderen auch. Die transkribierten Gespräche mit der freiheitskämpfenden Geologin über ihr einstiges Leben waren Pflichtlektüre, sobald Kinder lesen lernten. Sie waren die Grundlage – natürlich auf recht freie Weise – für das, was in den Stücken dargestellt wurde.
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