Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)
von den steifen Falten des violetten Kleides auf, das Miriam Faulconer trug; es war wohl mit Kampfer getränkt worden, um die Motten fernzuhalten. Starbuck, der unbehaglich dicht vor Mrs. Faulconer stand, rätselte, wie die Haut eines Menschen so weiß und glatt sein konnte. Wie bei einer Leiche, dachte er. «Adam sagt, Sie sind ein guter Freund von ihm», sagte die Leiche mit kaum hörbarer Stimme.
«Ich bin sehr stolz, dass er mich seinen Freund nennt, Ma’am.»
«Ist Freundschaft wichtiger als die Kindespflicht?» Wie eine ausgefahrene Katzenkralle lag die Gehässigkeit in dieser Frage.
«Ich bin nicht in der Position, das zu beurteilen», sagte Starbuck mit zurückhaltender Höflichkeit.
«Näher, Anna, näher. Willst du, dass ich an dieser Hitze hier sterbe?» Miriam Faulconer leckte sich über die bleichen Lippen, die großen Augen immer noch auf Starbuck gerichtet. «Haben Sie sich jemals Gedanken über mütterliche Sorgen gemacht, Mister Starbuck?»
«Meine Mutter pflegt sie mir ständig ins Gedächtnis zu rufen, Ma’am.» Starbuck zeigte nun selbst die Krallen. Miriam Faulconer sah ihn einfach unbewegt an, schätzte Starbuck ab und schien zu einem unbefriedigenden Urteil zu kommen.
«Nicht so nahe, Anna, du wirst mich noch kratzen.» Miriam Faulconer schob den Fächer ihrer Tochter einen halben Zoll weiter weg. An einem ihrer schlanken Finger trug sie auffällig über ihrem schwarzen Spitzenhandschuh einen Ring mit einem schwarzen Stein. Um ihren Hals hing eine schwarze Perlenkette, und eine Brosche aus geschliffenem Jett steckte an den schwarzvioletten Seidenfalten ihres Kleides. «Ich glaube», sagte Miriam Faulconer mit unüberhörbarem Missfallen, «Sie sind ein Abenteurer.»
«Ist das eine so verwerfliche Sache, Ma’am?»
«Es ist gewöhnlich eine eigennützige Sache.»
«Mutter …» Adam wollte sich einschalten.
«Sei still, Adam, ich habe nicht um deine Meinung gebeten. Näher, Anna, komm mit dem Fächer näher. Auf Abenteurer kann man sich nicht verlassen, Mister Starbuck.»
«Ich bin sicher, Ma’am, dass es viele große und zuverlässige Männer gegeben hat, die keinem Abenteuer aus dem Weg gegangen sind. Gilt das nicht sogar für unsere eigenen Gründerväter?»
Miriam Faulconer ignorierte Starbucks Worte. «Ich werde Sie für die Sicherheit meines Sohnes verantwortlich machen, Mister Starbuck.»
«Mutter, bitte …» Adam versuchte erneut, sich einzumischen.
«Wenn ich deine Ansichten für notwendig halte, Adam, sei versichert, dass ich dich darum bitten werde, und bis dahin sei so gut und schweig.» Die Krallen waren nun ganz ausgefahren, blitzend und scharf. «Ich wünsche nicht, Mister Starbuck, dass Sie meinen Sohn zu Abenteuern verleiten. Ich wäre froh gewesen, wenn er seine pazifistischen Projekte im Norden weiterverfolgt hätte, aber es scheint so, als habe die krieglustige Partei seine Seele gewonnen. Dieser Partei, denke ich, gehören auch Sie an, und ich danke Ihnen nicht dafür. Seien Sie also versichert, Mister Starbuck, dass ich Sie und meinen Ehemann gemeinsam für die Sicherheit meines Sohnes verantwortlich mache.»
«Ihr Vertrauen ehrt mich, Ma’am.» Zuerst hatte Starbuck diese Frau für eine verletzliche, mitleiderregende Schönheit gehalten, nun sah er in ihr eine verbitterte Hexe.
«Es war mir ein Vergnügen, Sie einmal gesehen zu haben», sagte Mrs. Faulconer in demselben Ton gelangweilter Genugtuung, mit dem sie vielleicht ein fremdartiges Tier in einer Wandermenagerie kommentiert hätte. Dann wandte sie den Blick ab, und ein strahlendes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, während sie Ethan Ridley beide Hände entgegenstreckte. «Ethan! Ich wusste, dass Washington Sie von mir fernhalten will, aber nun sind Sie endlich gekommen! Ich habe mit Mister Starbuck gesprochen und brauche infolgedessen ein wenig Zerstreuung. Setzen Sie sich zu mir, nehmen Sie Annas Stuhl.»
Adam zog Starbuck beiseite. «Meine Güte, das tut mir leid», sagte er. «Ich weiß, dass sie schwierig sein kann, aber nicht warum sie es ausgerechnet heute sein musste.»
«Daran bin ich gewöhnt», sagte Starbuck. «Ich habe auch eine Mutter.» Allerdings ähnelte Starbucks Mutter in keiner Hinsicht der leisen, schlanken Miriam Faulconer. Jane Abigail MacPhail Starbuck war eine große, füllige, lautstarke Frau, bei der alles besonders stark ausgeprägt schien, außer ihrer Großzügigkeit.
«Mutter hat oft Schmerzen.» Adam suchte weiter nach Entschuldigungen für seine Mutter. «Sie
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