Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)
es gebaut, jedenfalls den größten Teil. Er war sehr praktisch veranlagt, aber dann hat sein Sohn eine französische Lady geheiratet, und das Blut in der Familie wurde zu dünn. Das sagt jedenfalls Mutter. Und sie ist selbst nicht sehr kräftig, also hat ihr Blut uns auch nicht gestärkt.»
«Adam wirkt aber nicht, als hätte er zu dünnes Blut.»
«O doch, das hat er», sagte Anna und lächelte zu Starbuck empor. «Mir gefällt es so sehr, jemand aus den Nordstaaten reden zu hören! Das klingt viel gebildeter als unsere Aussprache hier auf dem Land. Würden Sie mir erlauben, Sie zu malen? Ich kann nicht so gut malen wie Ethan, aber ich übe mehr. Sie könnten sich an den Faulconer River setzen und melancholisch vor sich hin blicken, wie ein Exilant an den Strömen von Babel.»
«Soll ich auch meine Harfe in die Weiden hängen?», witzelte Starbuck plump in der Aufnahme ihrer Anspielung auf Psalm 137.
Anna ließ seinen Arm los und klatschte entzückt in die Hände. «Sie werden eine fabelhafte Gesellschaft sein. Alle anderen sind so geistlos. Adam ist im Norden, um fromm zu sein, Vater ist ins Soldatenwesen vernarrt, und Mutter verbringt den ganzen Tag in Eis gewickelt.»
«In Eis?»
«Wenhamer Eis, das stammt aus Ihrem Heimatstaat Massachusetts. Ich vermute, wenn es Krieg gibt, bekommen wir kein Eis aus Wenham mehr, dann müssen wir mit dem zurechtkommen, was es hier gibt. Aber Doctor Danson sagt, das Eis könnte Mutters Neuralgie kurieren. Die Eiskur kommt aus Europa, also muss sie gut sein.» Starbuck hatte noch nie von Neuralgie gehört und wollte nicht nachfragen, für den Fall, dass es sich als eines dieser unbestimmten und unaussprechlichen Frauenleiden erweisen würde, die seine Mutter und seine ältere Schwester so oft aufs Lager warfen. Doch Anna kam ihm zu Hilfe, indem sie ungefragt erklärte, dass es sich um ein sehr modernes Gebrechen handele, das man als «Gesichtskopfschmerzen» beschreiben könne. Starbuck murmelte ein paar mitfühlende Worte. «Aber Vater glaubt, sie erfindet es, um ihn zu ärgern», fuhr Anna mit ihrer unsicheren und schwachen Stimme fort.
«Das kann ich mir nicht vorstellen», sagte Starbuck.
«Ich schon», sagte Anna sehr traurig. «Ich frage mich manchmal, ob Männer und Frauen sich eigentlich immer gegenseitig quälen müssen.»
«Das weiß ich nicht.»
«Das ist keine sehr fröhliche Unterhaltung, oder?», fragte Anna beinahe verzweifelt und in einem Ton, der darauf schließen ließ, dass sich alle ihre Gespräche auf diese Art in Melancholie verloren. Sie schien mit jeder Sekunde unglücklicher zu werden, und Starbuck dachte an Belvedere Delaneys spitzzüngige Kommentare darüber, wie sehr seinem Halbbruder Ridley dieses Mädchen missfiel, doch dass er dringend auf die Mitgift angewiesen sei. Starbuck hoffte, dass diese Geschichten nichts weiter waren als gehässiger Tratsch, denn es wäre eine grausame Welt, so dachte er, die ein so zartes und furchtsames Mädchen wie Anna Faulconer zum Opfer werden ließe. «Hat Vater wirklich gesagt, die Petticoats wären für mich?», fragte sie auf einmal.
«Das hat Ihr Onkel gesagt.»
«Oh, Pecker», sagte Anna, als sei damit alles erklärt.
«Es schien mir auch ein sehr seltsames Ansuchen zu sein», sagte Starbuck galant.
«So vieles ist seltsam dieser Tage», sagte Anna hoffnungslos, «und ich wage es nicht, Vater um eine Erklärung zu bitten. Er ist nicht sehr froh, wissen Sie?»
«Nein?»
«Daran ist der arme Ethan schuld. Er konnte Truslow nicht finden, verstehen Sie, und Vater hat sein Herz darangehängt, Truslow zu rekrutieren. Haben Sie schon von Truslow gehört?»
«Ihr Onkel hat mir von ihm erzählt, ja. Bei ihm klang es so, als wäre Truslow höchst furchterregend.»
«Er ist auch furchterregend. Er ist schrecklich!» Anna blieb stehen, um Starbuck anzusehen. «Kann ich Ihnen vertrauen?»
Starbuck fragte sich, welche neue Horrorgeschichte er über den gefürchteten Truslow erfahren sollte. «Ich würde mich durch Ihr Vertrauen geehrt fühlen, Miss Faulconer», sagte er formvollendet.
«Nennen Sie mich bitte Anna. Ich möchte, dass wir Freunde werden. Und ich sage Ihnen, im Vertrauen natürlich, dass ich glaube, Ethan hat sich überhaupt nicht in die Nähe von Truslows Bau gewagt. Ich denke, Ethan fürchtet sich zu sehr vor Truslow. Jeder fürchtet Truslow, sogar Vater, auch wenn er sagt, dass er es nicht tut.» Annas leise Stimme klang unheilverkündend. «Ethan behauptet, er wäre zu ihm in die Hügel
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