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Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)

Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)

Titel: Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Sein ganzer Körper war nur noch Schmerz, während er sich unaufhörlich streckte und zog, streckte und zog, und bei jedem Aufwärtszug hängte er ungeniert sein Körpergewicht an den Sägegriff, damit Truslow es auffing und Starbuck in einem winzigen Moment der Entlastung hinaufhievte, bevor er die Säge mit seinem Körpergewicht wieder abwärts zog. Der Sägegriff war klebrig von seinem Blut, sein Atem fuhr rasselnd durch seine Kehle, seine Beine konnten ihn kaum noch aufrecht halten, und immer weiter fuhr der gezahnte Stahl auf und ab, auf und ab, auf und gnadenlos ab.
    «Du wirst doch nicht schon müde werden, oder, Junge?»
    «Nein.»
    «Wir haben ja kaum angefangen. Geh mal zu Pastor Mitchell in die Kirche von Nellysford, Junge, da siehst du einen Hartholzkiefernboden, den ich und mein Pa in einem Tag gesägt haben. Weiterziehen, Junge, weiterziehen.»
    Starbuck hatte noch nie so hart gearbeitet. Manchmal war er im Winter bei seinem Onkel Matthew in Lowell, und sie sägten Eis aus dem gefrorenen See, um den Vorrat im Eishaus aufzufüllen, aber diese Ausflüge waren mehr wie ein Spiel, unterbrochen von Schneeballschlachten oder wilden Schlittschuhläufen unter eiszapfenbehangenen Bäumen am Seeufer. Dieses Bohlensägen aber war unbarmherzig, grausam, gnadenlos, und doch wagte er nicht aufzugeben, denn er hatte das Gefühl, dass seine ganze Existenz, seine Zukunft, sein Wesen, ja sogar seine Seele in die Waagschale geworfen wurden, um Thomas Truslows Verachtung aufzuwiegen.
    «Warte, Junge, ich muss wieder Keile einschlagen.»
    Starbuck ließ den Sägegriff los, taumelte, stolperte halb und lehnte sich an die Wand der Sägegrube. Seine Hände schmerzten so sehr, dass er die Finger nicht strecken konnte. Jeder Atemzug brannte. Er hatte am Rande mitbekommen, dass ein weiterer Mann an die Sägegrube gekommen war, der sich schon einige Minuten lang mit Truslow unterhielt, aber er wollte nicht aufblicken, um festzustellen, wer da zum Zeugen seiner Demütigung wurde.
    «Das ist ein einmaliger Anblick, was, Roper?», sagte Truslow mit ätzendem Hohn.
    Noch immer sah Starbuck nicht auf.
    «Das ist Roper, Junge», sagte Truslow. «Begrüß ihn.»
    «Guten Tag, Mister Roper», brachte Starbuck heraus.
    «Er nennt dich Mister!» Das fand Truslow anscheinend erheiternd. «Er hält euch Nigger für seine Mitgeschöpfe, Roper. Sagt, ihr habt die gleichen Rechte vor Gott wie er. Glaubst du, Gott sieht das genauso, Roper?»
    Roper hielt inne, um Starbuck zu mustern. «Ich schätze, Gott würde lieber mich in die Arme schließen als diese Erscheinung da unten», gab Roper schließlich zurück, und Starbuck sah widerwillig auf und erkannte, dass Roper ein hochgewachsener Schwarzer war, den Starbucks Zwangslage offensichtlich belustigte. «Der sieht aus, als wäre er zu überhaupt nichts nütze», sagte Roper.
    «Er ist kein schlechter Arbeiter», brachte Truslow erstaunlicherweise zu Starbucks Verteidigung vor, und Starbuck glaubte bei diesen Worten, noch nie auch nur ein halb so bedeutendes Lob erhalten zu haben. Gleich darauf sprang Truslow in die Sägegrube. «Jetzt zeige ich dir mal, wie es geht, Junge.» Truslow nahm den Griff der Säge, nickte zu Roper hinauf, und mit einem Mal war das Sägeblatt nur noch ein Schemen, als die beiden Männer es in einen unaufhörlichen und lange geübten Rhythmus versetzten. «So geht das!», rief Truslow über das Klingen der Säge dem wie geblendet zuschauenden Starbuck zu. «Man muss den Stahl die Arbeit machen lassen! Man kämpft nicht gegen ihn, man lässt ihn selbst das Holz durchfressen. Roper und ich könnten den halben Waldbestand von Amerika zersägen, ohne außer Atem zu kommen.» Truslow benutzte nur eine Hand, und er stand neben der Säge, sodass der Schauer aus Sägemehl und Holzsplittern nicht auf sein Gesicht fiel. «Also, was bringt dich hierher, Junge?»
    «Das habe ich doch schon gesagt, ich habe einen Brief von –»
    «Ich meine, was macht ein Yankee in Virginia? Du bist doch ein Yankee, oder?»
    Starbuck dachte an Washington Faulconers Worte, der ihm gesagt hatte, wie sehr dieser Mann die Yankees hasste, doch er beschloss, seinen Stolz zu wahren. «Und ich bin stolz darauf, ja.»
    Truslow spuckte einen Strahl Tabaksaft in eine Ecke der Sägegrube. «Und was hast du dann hier verloren?»
    Starbuck hielt diesen Moment nicht für passend, um von Mademoiselle Demarest oder der Onkel Tom- Wanderbühne zu berichten, verkürzte deshalb seine Geschichte und sagte nur leichthin:

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