Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)
der Spitze ihrer Kolonne ritt. «Denk an meine Worte, Junge, ich sage dir, dass Faulconer keine einzige Schlacht durchhält.»
Plötzlich erschauerte Starbuck bei dem Gedanken an die Schlacht. Manchmal waren die Vorahnungen aufregend, manchmal erschreckend, und dieses Mal jagte ihm der Gedanke, den Elefanten zu sehen, Angst ein, vielleicht weil ihm das Scheitern des Überfalls gezeigt hatte, wie viel bei solchen Unternehmungen schiefgehen konnte. Er wollte lieber nicht über die Folgen nachdenken, die es haben konnte, wenn in einer Schlacht etwas schiefging, also wechselte er das Thema, indem er die erste Frage stellte, die ihm in den Sinn kam. «Haben Sie wirklich drei Männer umgebracht?»
Truslow warf ihm einen seltsamen Blick zu, als verstünde er nicht, warum man eine solche Frage stellte. «Mindestens», sagte er dann spöttisch. «Warum?»
«Wie fühlt es sich an, wenn man jemanden umbringt?», fragte Starbuck. Er hatte eigentlich wissen wollen, warum Truslow die Morde begangen hatte und wie und ob irgendwer versucht hatte, Truslow dafür vor Gericht zu bringen, doch stattdessen stellte er die dumme Frage nach den Gefühlen.
Truslow machte sich über diese Befragung lustig. «Wie es sich anfühlt? Meine Güte, Junge, manchmal schnatterst du einen unglaublichen Unsinn zusammen. Wie es sich anfühlt? Das findest du am besten selbst heraus, Junge. Geh los und bring einen um, und dann gibst du mir selber die Antwort.» Truslow ließ sein Pferd schneller traben, offenkundig angewidert von Starbucks unanständiger Frage.
An diesem Abend schlugen sie ihr Lager auf einem regennassen Hügelkamm oberhalb einer kleinen Siedlung auf, in der ein Schmelzofen loderte wie der Schlund der Hölle, und der bittere Gestank von Kohlerauch stieg empor zu dem Hügel, wo Starbuck keinen Schlaf fand. Stattdessen setzte er sich zu den Wachen, fror und wünschte sich, es möge aufhören zu regnen. Zum Abend hatte er mit den drei Offizieren kaltes Trockenfleisch und feuchtes Brot gegessen, und Faulconer war lebhafter gewesen als an den Abenden zuvor und hatte sogar nach ein paar tröstlichen Erklärungen für den gescheiterten Überfall gesucht. «Auch wenn uns das Schießpulver im Stich gelassen hat», sagte er, «haben wir ihnen gezeigt, dass wir eine Gefahr sein können.»
«Das stimmt, Colonel», sagte Hinton loyal.
«Jetzt müssen sie auf jeder Brücke Wachen aufstellen», behauptete der Colonel, «und Männer, die eine Brücke bewachen müssen, können nicht im Süden einmarschieren.»
«Auch das stimmt genau», sagte Hinton gut gelaunt. «Und es kostet sie wahrscheinlich Tage, die Lokomotive dort wegzuschleppen. Sie hat sich unheimlich tief in den Boden gefressen.»
«Also war es kein Misserfolg», sagte der Colonel.
«Alles andere als das!» Captain Hinton war entschieden optimistisch.
«Und es war eine gute Übung für unsere Kavallerie-Späher», sagte der Colonel.
«Ganz recht, das war es.» Hinton grinste Starbuck an, weil er ihn in die freundlichere Atmosphäre mit einbeziehen wollte, doch der Colonel runzelte bloß die Stirn.
Und nun, während die Nacht quälend langsam verging, überkam Starbuck die Verzweiflung eines junges Mannes. Es war nicht nur die Entfremdung von Washington Faulconer, die auf ihm lastete, sondern vielmehr das Bewusstsein, wie sehr sein Leben aus dem Ruder gelaufen war. Es gab Entschuldigungen dafür, gute Entschuldigungen, doch im Innersten wusste er, dass er selbst die Schuld daran trug, vom rechten Weg abgekommen zu sein. Er hatte seine Familie und seine Kirche verlassen, sogar sein eigenes Heimatland, um unter Fremden zu leben, und das Band ihrer Zuneigung war nicht fest genug geknüpft, um ihm Hoffnung zu geben. Washington Faulconers bittere Enttäuschung war so beißend wie der Gestank des Schmelzofens. Truslow war auf seiner Seite, aber für wie lange? Und welche Gemeinsamkeiten hatte Starbuck mit Truslow? Truslow und seine Männer würden rauben und morden, und das konnte sich Starbuck für sich selbst nicht vorstellen. Und die anderen, wie Medlicott, hassten Starbuck, weil er als Yankee bei ihnen eingedrungen war, ein Außenseiter, ein Fremder, ein Liebling des Colonels, der nun zum Sündenbock des Colonels geworden war.
Starbuck hockte zitternd im Regen und zog die Knie an die Brust. Er fühlte sich vollkommen verlassen. Was sollte er tun? Monoton fiel der Regen, während hinter ihm ein angebundenes Pferd auf den nassen Boden stampfte. Der Wind war kalt, strich von der Siedlung
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