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Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Titel: Starbuck. Der Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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eingekesselt wurde.
    Sally Truslow, Arm in Arm mit Nate Starbuck, waren die Yankees, die siebzig Meilen entfernt standen, ebenso gleichgültig wie der Regen. Sally war beschwingt von dem Gedanken, in einem respektablen Haus den Tee zu nehmen, zu welcher Gelegenheit sie ein dunkles Kleid mit hohem Kragen, langen Ärmeln und einem Rock angezogen hatte, der lediglich von zwei Petticoats aufgebauscht wurde. Zudem hatte sie aller Schminke abgeschworen, abgesehen von einem Hauch Puder und einer Andeutung von Schwarz um die Augen.
    Sally und Starbuck rannten die Franklin Street hinunter, halb geschützt von dem Regenschirm, den Starbuck hielt, dann stellten sie sich im Eingang einer Bäckerei an der Ecke Second Street unter, bis ein Wagen von der Pferdebahn in Sicht kam. Sie drängten sich in den Wagen und zahlten den Fahrpreis bis zum Shockoe Friedhof. «Vielleicht gehen sie bei diesem Wetter ja gar nicht ins Krankenhaus», sagte Sally. Sie drückte sich in dem feuchten, überfüllten Wagen eng an Starbuck und spähte durch ein schmieriges Fenster hinaus in den Regen.
    «Schlechtes Wetter hält das gute Werk nicht auf», sagte Starbuck verdrießlich. Er freute sich nicht auf diesen Nachmittag oder den Abend, denn nicht einmal Sallys überschäumende Gesellschaft konnte ihn damit versöhnen, dass er nun einer Welt begegnen würde, die er glaubte, in Boston weit hinter sich gelassen zu haben. Aber er konnte Sally ihre Freude nicht versagen, und deshalb hatte er beschlossen, alles zu ertragen, was dieser Tag an Unbehagen mit sich bringen würde, obwohl er immer noch nicht verstand, warum Sally so entzückt gewesen war, als Adams Einladung eintraf.
    Auch Sally selbst hätte das kaum erklären können, aber sie verstand, dass die Gordons eine Familie waren, und sie hatte das vage Gefühl, dass sie selbst nie das Mitglied einer Familie gewesen war, jedenfalls keiner normalen, durchschnittlichen, einfachen, biederen Familie. Sie war die Tochter eines Pferdediebes und seiner Frau, zwei Flüchtlingen, die ein karges Stück Land in den hochgelegenen Bergen bewirtschaftet hatten, und nun war sie eine Hure und schlau genug, um zu wissen, dass sie jeden ehrgeizigen Aufstieg verwirklichen konnte, wenn sie nur den wahren Wert der Dienste erkannte, die sie anbot. Aber sie wusste ebenfalls, dass sie nie die Befriedigung erfahren würde, die es mit sich brachte, zum ganz gewöhnlichen, einfachen und rechtschaffenen Volk zu gehören. Sally hegte, anders als Starbuck, die romantische Vorstellung, dass der Lohn des Erfolgs die Alltäglichkeit war. Sie war als Außenseiterin aufgewachsen und hatte sich nach Respektabilität gesehnt, während Starbuck in einem respektablen Haus aufgewachsen war und es genoss, ein Rebell zu sein.
    Julia und Mrs. Gordon hießen sie in dem engen Flur willkommen, in dem kaum genügend Platz war, um das feuchte Cape und den Mantel auszuziehen und an eine Spiegelgarderobe zu hängen, an der Sally und Starbuck sich anschließend vorbeischoben, um zur Salontür zu gelangen. Der Frühlingstag war kühl genug, um ein Feuer in dem kleinen, gusseisernen Kaminofen zu rechtfertigen, auch wenn das Häufchen glühender Kohlen so klein war, dass die Wärme kaum über den eisernen Kaminschirm hinausdrang. Auf dem Boden lagen Streifen bemalter Baumwoll-Leinen, der Teppich der armen Leute, doch alles war peinlich sauber, roch nach Seifenlauge und Möbelwachs und gab Starbuck eine Idee, was Adam an einer Tochter dieses Hauses anziehen mochte, das solch ehrliche Armut und einfache Werte ausstrahlte. Adam selbst stand neben einem Klavier, ein zweiter junger Mann stand am Fenster, während Reverend John Gordon, der Missionar, seine Hände über dem winzigen Gluthäufchen wärmte. «Miss Royall!», begrüßte er Sally, wenn auch undeutlich, da er den Mund voller Kuchen hatte. «Entschuldigen Sie, meine Liebe.» Er wischte sich eine Hand am Rockschoß ab, stellte Tasse und Teller auf den Kaminsims und streckte ihr dann die Hand zum Willkommen entgegen. «Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen.»
    «Sir», sagte Sally und sank in einen verlegenen Knicks, statt die angebotene Hand zu schütteln. In ihrem eigenen Haus wusste sie Generäle und Senatoren zu begrüßen, sie konnte die angesehensten Ärzte der Stadt necken und die Bonmots der Anwälte mit Verachtung strafen, aber hier, angesichts all dieser Ehrbarkeit, verlor sie jede Selbstsicherheit.
    «Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen», wiederholte Reverend John Gordon

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