Stardoc 01 - Die Seuche
Sonst noch was?«
»Joey.«
Da packte ich ihn an der Jacke, mit verkrampften Fäusten, und zog sein hübsches, unmenschliches Gesicht mit einem Ruck an meines heran.
»Die einzige Person, die mich jemals geliebt hat, gab mir diesen Namen«, sagte ich ihm durch gefletschte Zähne. »Benutze ihn niemals wieder, Reever.« Ich ließ ihn los. »Kommen wir zurück zu der Entschuldigung, das gefiel mir besser. Warum solltest du dich für etwas entschuldigen, für das du nichts konntest?«
»Ich habe dir wehgetan.«
»Nicht wirklich. Versuchs noch mal.«
»Der Kern zwang mich, dich mit der Krankheit zu infizieren.«
»Wirklich? Hast du gedacht, das wäre es, was du tatest? Und im Übrigen bin ich immun gegen den Kern.«
»Sie wussten nicht, dass dein verbessertes Immunsystem sie zerstören würde. Ich sollte die Übertragung maximieren oder dich töten.« Seine Augen veränderten ihre Farbe, das Blau wurde dunkler. »Ich habe nicht kooperiert.«
»Die Übertragung maximieren? Hast du darum meine Wunde abgeleckt? Was wäre der nächste Schritt gewesen? Etwas von dem gelben Zeug in meinen Rachen spucken?«
»Ja.«
»Na, da bin ich ja froh, dass ich das verpasst habe. Also hast du mich stattdessen vergewaltigt. Wolltest mich auf eine zivilisiertere Weise infizieren. Wie großzügig von dir.«
»Ich habe dich nicht vergewaltigt. Ich wollte dir helfen.«
Meine Finger gruben sich in meine Handflächen und hinterließen Abdrücke. »Ich habe deine Art von Hilfe nicht nötig, Reever.«
»Ich hatte keine Alternative. Sie hätten dich sonst getötet.«
»Ich weiß nicht, ob eine Morddrohung eine Vergewaltigung entschuldigen kann. Darüber muss ich nachdenken.«
Seine Augen waren jetzt so dunkel, dass ich die Pupille nicht mehr erkennen konnte. »Es war nicht nur der Angriff des Kerns, Cherijo. Ich wollte diese Dinge mit dir tun. Du wolltest sie mit mir tun.«
»Falsch.«
»Du wolltest mich«, sagte er.
»Es war nett, mit dir zu plaudern, Reever. Verschwinde.«
Mit der ihm eigenen Unmenschlichkeit stand er plötzlich auf. Er packte mich mit seinen vernarbten Händen und zog mich auf die Füße.
»Als ich ein Kind war, haben mich meine Eltern auf einem Planeten zurückgelassen, auf dem das Verhalten der Einheimischen durch rituelle Prüfungen bestimmt wurde. Ich war wochenlang dort.«
»Tatsächlich.« Ich dachte darüber nach, wo ich ihn hintreten könnte, um maximale Schmerzen zu verursachen. Es gab eine Menge solcher Stellen. Immer diese Entscheidungen. »Du kannst mich jetzt gerne loslassen, Reever.«
Er zeigte mir die Rückseite seiner Hand. »Du hast dich darüber gewundert, warum ich die Narben nicht habe entfernen lassen. Meine Eltern haben mir gesagt, ich solle die Einwohner beobachten, die zugestimmt hatten, mich zu unterrichten. Während meines ersten Rituals setzte man mich in eine Kammer, zusammen mit ausreichenden Vorräten und meinen Lehrern. Als ich hungrig wurde und nach dem Essen griff, schnitten sie mir mit einem Messer über den Handrücken, um mich davon abzubringen.«
Mein Blut wurde zu Eis, und ich riss die Augen auf.
»Wenn ich Durst hatte, taten sie das Gleiche. Man erlaubte mir nicht, zu essen oder zu trinken. Die Prüfung dauerte fünf Umdrehungen.«
»O Gott«, sagte ich, und die Worte schmerzten in der Kehle. Ich glaubte seine Wunden selbst zu spüren. »Wie alt warst du da?«
»Sechs. Ich lernte schnell. Ihre eigenen Nachkommen verloren oft mehrere Fingerglieder.« Ein Mundwinkel hob sich in der Parodie eines Lächelns. »Als meine Eltern zurückkehrten, waren sie sehr aufgeregt. Ich hatte ein Ritual vollzogen, das noch nie jemand dokumentiert hatte. Sie wollten alle Einzelheiten für ihre Datenbank.«
»Wie konnten sie nur? Wie konnten …« Ich verstummte verwirrt. »Reever, ich verstehe nicht, warum du mir das alles erzählst.«
»Ich denke in diesen Tagen oft an das Ritual«, sagte er.
»Warum?« All das sorgte dafür, dass ich mich sehr unwohl fühlte. »Lass die Narben entfernen, Reever, und vergiss das Ganze.«
Er schüttelte den Kopf, ließ mich los und ging.
Ich sah zu, wie er die Tür hinter sich schloss. Erst da bemerkte ich etwas Nasses auf meiner Wange und wischte es mit meinem glatten, narbenfreien Handrücken weg.
Vierter Teil
Auflösung
16 Was sich erholt
Nach der Epidemie wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Kolonien ein improvisiertes Gefängnis errichtet. Der Rat gab ihm keinen Namen, und ich konnte ihm deswegen keinen Vorwurf
Weitere Kostenlose Bücher