Stark gegen Stress
nicht, dass der Vater oder eine andere Person die Funktion der engsten Bezugsperson nicht genauso gut übernehmen könnte.
Wertschätzung und Anerkennung
Geschätzt und anerkannt zu werden, ist ein zentrales menschliches Bedürfnis. Die Ausstattung des ersten Stockwerks im Stresshaus ist deshalb von entscheidender Bedeutung. In diesem Kapitel lesen Sie, wie sich Wertschätzung auf den Umgang mit Stress auswirkt.
Wie Wertschätzung und Selbstwert zusammenhängen
Wertschätzung ist ein rares Gut, im Umgang der Menschen untereinander durch nichts zu ersetzen. Sie stärkt den Selbstwert und macht stressresistent.
Wertschätzung von sich und anderen erhalten und verbuchen zu können, das ist zentral für den Selbstwert. Erhalten Sie viel positives Echo auf Ihre Person und Ihre Handlungen, dann nährt und stärkt dies Ihren Selbstwert – Sie werden stressresistent bleiben. Erhalten Sie hingegen keine oder zu wenig Anerkennung, dann dürsten Sie dauernd danach. Und wenn Sie Wertschätzung nicht verbuchen können, dann bleibt sie wirkungslos und wird Ihren Selbstwert nicht nähren können. Ihr Selbstwert ist schwach oder wird geschwächt – das macht Sie stressanfällig.
Wenn die Andockstellen für Wertschätzung fehlen
Möglicherweise fehlt in verschiedenen Bereichen – Beruf, Partnerschaft, Familie, Freundeskreis – tatsächlich eine angemessene Anerkennung. Viel häufiger aber ist der Fall, dass man die kleinen Zeichen der Wertschätzung durch andere nicht sieht, nicht für sich verbuchen kann (mehr dazu im Beispiel auf Seite 114). Lobende Worte, ein anerkennendes Nicken, ein Kompliment fallen ins Leere, können nirgends andocken.
Wie kommt es dazu? Wiederum spielt die Lerngeschichte eine zentrale Rolle. Wenn eine Person im bisherigen Leben erfahren hat, dass sie unwichtig ist, dass das, was sie tut, auch von anderen und von diesen sogar besser getan werden könnte – dann können sich solche Andockstellen nicht bilden, und das hat Nachwirkungen auf ihr heutiges Leben. Besonders häufig ist dies bei Personen mit einem schwachen Selbstwert der Fall, mit der Konsequenz, dass aktuelle Erfahrungen der Wertschätzung wirkungslos verpuffen, dass sie keine Anerkennung von anderen wahrnehmen und sich dadurch auch selber keine geben können.
Anerkennung im Alltag
«Danke, dass du allein zum Elternabend gegangen bist. Das hat mich enorm entlastet und mir die dringend benötigte Verschnaufpause verschafft.»
«Oh, du hast das Wohnzimmer umgestellt? Es ist viel gemütlicher jetzt. Das Sofa anders zu platzieren war eine gute Idee. Danke, dass du die Initiative ergriffen hast!»
«Ich bin beeindruckt, wie Sie diese schwierige Verhandlung gemeistert haben. Ihre Sozialkompetenz ist bewundernswert.»
«Sie haben in den letzten Monaten aussergewöhnliche Leistungen erbracht. Ich werde mich dafür einsetzen, dass Sie eine Gehaltserhöhung bekommen.»
«Eine 5! Und das in dem Fach, das du doch gar nicht magst. Bravo, dein Einsatz hat sich gelohnt!»
«Du hast Mama lange ungestört telefonieren lassen. Das hast du ganz toll gemacht, so, wie wir es vorher besprochen haben. Bravo! Du kannst dich wunderbar eine Weile selber beschäftigen, und mir hat es geholfen, dieses wichtige Gespräch in Ruhe zu führen. Danke.»
Das sind sechs wertschätzende Äusserungen; sechs Aussagen, die zeigen, dass jemand die Anstrengungen, den Einsatz und den Verdienst eines anderen Menschen bemerkt und sich die Zeit nimmt, seine Anerkennung in zwei, drei persönlichen Sätzen auszusprechen.
TIPP Wertschätzung findet im Alltag statt. Sie äussert sich in kleinen Gesten, etwa indem man Interesse am anderen zeigt, ihm zuhört, sich Zeit nimmt, aber auch indem man Feedback gibt und Komplimente macht, um dem anderen zu zeigen: Ich habe dich und deine Leistung wahrgenommen.
Geben und Nehmen in Ausgewogenheit
Hand aufs Herz: Wann haben Sie das letzte Mal Ihre Wertschätzung kundgetan – Ihrem Partner, der Partnerin, den Kindern, den Kolleginnen und Kollegen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ihrem Team, demBriefträger, der die Pakete bis vor die Haustür bringt, anstatt sie beim Gartentor zu deponieren, der Nachbarin, die auch gleich die Einkäufe für Sie noch erledigt, der Lehrperson, welche sich besonders viel Zeit für Ihr Kind mit Lernschwierigkeiten nimmt? Und wie lange ist es her, dass jemand sich Ihnen gegenüber anerkennend geäussert hat? Dass Sie für das, was Sie täglich tun, von anderen ein gutes Wort gehört
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