Starke Frau, was nun?
weiß es noch nicht!«, hört sie sich sagen und freut sich insgeheim über ihre melodische Stimme.
Ha!
»Danke für die Auskunft. Sobald ich Näheres weiß, melde ich mich. Ich bin dann weg!«
Bevor Meyer Gelegenheit bekommt, noch etwas von sich zu geben, stürzt sie aus der Wohnung.
Alles hat seine Grenzen, selbst Lisas Geduld.
* * *
Auf der Straße empfangen sie sommerliche Wärme, ein wolkenloser Himmel und jede Menge Leute, die sie dämlich ansehen. Was auch nicht gerade als Stimmungsheber fungiert.
Ratlos schaut sie sich um. Wohin jetzt? So ein Dasein als Obdachloser beinhaltet einige bislang unvorstellbare Probleme. Man hat einfach niemals ein Ziel!
Ihre Beine schmerzen nicht nur, nein, faktisch sind sie nicht mehr vorhanden. Lisa fühlt sich unglaublich schlecht – und das nicht nur mental. Der ihrem Körper und der Kleidung anhaftende Dreck hat es in sich. Und so beschließt sie schweren Herzens, nach Hause zu gehen.
Auch wenn sie echt gern darauf verzichten würde.
* * *
Nun ja, zunächst scheint alles ruhig, denn ihre Eltern weisen ähnliche Verhaltensweisen auf wie Meyer.
Sie sind mächtig verkatert.
Mechthild rennt mit einem kalten Lappen umher, den sie sich ständig auf ihre tief gerunzelte Stirn drückt, und Hans wirkt auch nicht bedeutend frischer, ist aber so gütig, seiner Tochter einen Kaffee zu kochen. Die überlegt, wie lange es noch dauert, bevor sie das Zeug in hohem Bogen wieder ausspuckt, protestiert aber nicht. Jetzt ist nämlich Taktik angesagt.
Gemeinsam sitzen sie wenig später am Tisch,; weder Mechthild noch Hans zeigen Interesse, mit einer Unterhaltung zu beginnen. In Wahrheit herrscht derart angespanntes Schweigen, das Lisa noch mehr zusetzt als alles andere. Selbst über ihre Aufmachung haben sie bisher kein Wort verloren.
Eher, um diesem grässlichen Gebräu zu entkommen, als aus anderen Gründen, seufzt sie irgendwann. »Er ist zurück in Florida.«
Mechthild massiert mit dem Lappen ihre Schläfe und Hans trinkt seinen Kaffee …
…
»Wann fliegst du?« Diese bemerkenswert beiläufige Frage stammt von ihrem Vater.
Wie vom Donner gerührt sieht Lisa auf – sie hatte sich bereits im Halbschlaf befunden –, doch dann stöhnt sie ergeben. »Wenn ich wieder laufen kann ...«
Anstatt zu antworten, betrachtet er ihre inzwischen schwarzen Füße unter dem Tisch. »Schlechte Idee ...«
Und Lisa stöhnt noch lauter.
* * *
Tegel!
Jener verdammte Ort, den Lisa schon deshalb als Hölle schlechthin bezeichnet, weil hier pro Sekunde so viele Abgase in die Umwelt gejagt werden, dass der Treibhauseffekt ganz ohne die sonstigen Motormonster schon mal gesichert ist.
Es ist früher Abend. Dank der manischen Mechthild (ja, sie hat ihrem Ruf auch heute wieder alle Ehre gemacht) und ihres Vaters findet Lisa sich tatsächlich mit einem Trolley in der riesigen Halle wieder. Hans stand seiner Gattin während der vergangenen Stunden in nichts nach, als es darum ging, seine Tochter für die bevorstehende Reise zu präparieren. Der Mann lebt seinen Wahnsinn nur etwas verhaltener aus.
Lisa fühlt sich wie ein elender Komplize, schließlich hat sie vor, diesen empörenden Raubbau an der Umwelt auch noch zu unterstützen. Ohne ihre Eltern hätte sie das verdammte Ticket überhaupt nicht bezahlen können; der Mord an der Erde kostet nämlich ein mittleres Vermögen. Ihre Füße – jetzt sauber – zieren übrigens schlichte Sandalen; andere Schuhe wollten nicht passen. Offenbar war ihre Annahme richtig und sie trägt ab jetzt eine größere Nummer.
Glücklicherweise konnte sie ihre Eltern davon abhalten, sie zu begleiten. Sie musste nur ein bisschen hysterisch werden, dann hatten sie es auch schon begriffen.
Und so begibt sie sich allein zu dieser seltsamen Gepäckabgabe, an der sie sich brav die Frage verkneift, ob die saudämliche Frau hinter dem Counter (ja, Deutsch wurde mit Betreten der Halle als unzulässige Sprache deklariert) ihr untertäniges, antrainiertes Lächeln abends noch ablegen kann. Verdammte sexistische Gesellschaft!
Als Nächstes geht es zur Abfertigung, wo es nur fiese SicherheitsMÄNNER zu geben scheint. Um diese Uhrzeit fliegt kaum jemand – ins Amiland schon gar nicht –, weshalb sie wohl am US-Schalter das Personal halbiert haben oder so. Mit schmalem Auge und angehaltenem Atem lauert Lisa mit wachsender Begeisterung auf das Lamento, dass sie demnächst anstimmen wird. Leider hofft sie vergebens, denn als sie an der Reihe ist, ruft man eine
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