Starke Frau, was nun?
dann bricht er in dröhnendes Gelächter aus.
»Arschloch!«, zischt sie, bevor sie flüchtet.
* * *
Bis auf die Straße schafft sie es, dann kommen die Tränen.
Keine Trauer, warum auch? Es ist reine Wut. Wie konnte sie nur? Wie? Das ist so wenig sie, so wenig Lisa Radtke, die sie kennt und ehrlich toll findet!
Und wohin soll sie denn jetzt gehen, he? Das Feuerwerk hat sich vereinzelt, doch es ist noch lange nicht gestorben; die Nacht ist laut, nicht so still wie üblich, und sie fühlt sich so verloren, so unendlich falsch! Noch immer spürt sie ihn an jedem Zentimeter ihrer Haut und auch in sich – als hätte er sie noch nicht verlassen. Sie riecht danach – ohne sich vergewissern zu müssen, weiß Lisa, dass es so ist.
Sie hatte Sex mit einem verdammten Macho und der haftet an ihr, als wäre das irgendeine miese Bestrafung oder so was. Die Tränen laufen; sie sieht auf ihrer Dolly kaum etwas, doch bevor Lisa endgültig verzweifeln kann, weiß sie endlich, wohin sie gehen kann.
Als Robert ihr die Tür öffnet, wirkt er leicht überrascht.
»Lisa!«
»Ich!«, nickt sie düster.
Die Wohnung ist verqualmt und es stinkt nach Bier, seine Uniprofessorenkumpel sind zur Feier des Tages eingetrudelt. Es ist ihr egal.
Ohne Vorwarnung wirft sie sich in seine Arme und küsst ihn. »Ja«, wispert sie an seinen Lippen.
Robert hat wohl bereits zu viel Bier konsumiert, er begreift nämlich nicht gleich, was sie ihm da gerade Bedeutsames eröffnet.
Aus dem Wohnzimmer tönt eine lallende Stimme. »Hey! Wir brauchen Nachschub! Bier her, Bier her oder ick fall um!«
»Schnauze!«, brüllt Lisa.
Ein Typ mit rotem Haar, fünf Milliarden Sommersprossen – allein auf der Stirn – und etlichen Kilo Übergewicht erscheint im Türrahmen und mustert sie reichlich entgeistert. Doch Lisa sieht nur Robert. »Ja!« Inzwischen spricht sie sehr langsam. »Ich will dich heiraten.«
Seine Augen werden groß, im nächsten Moment umarmt er sie stürmisch und küsst sie erneut – diesmal ausgiebig. Sein Atem ist mit Bier gesättigt und die Lippen sind feucht.
»Ehrlich?«, erkundigt er sich. Auf seiner Brille befinden sich ein paar miese Flecken. Bier, mutmaßt Lisa und nickt.
Kaum hat sie genickt, blickt er sich strahlend zu seinem Kumpel um. »Sie heiratet mich!«
Der hebt die Schultern. »Prächtig! Äh, wo ist das Bier?
* * *
13. Nach dem Missbrauch ist vor dem Missbrauch
Der Januar empfängt Lisa äußerst trübe.
Das liegt einerseits am Wetter, das sich im Einheitsgrau plus dem von Abgasen geschwärzten Schnee präsentiert, und an ihrer düsteren Stimmung.
Während Robert sich neuerdings auf einem ewigen Trip der Liebe und Freude befindet, weiß sie nicht, welchem miesen Gedanken sie sich als Erstes hingeben soll. Am besten wäre es, wenn sie dieses grauenhafte Erlebnis, das einem sexuellen Übergriff nicht unähnlich war, für immer und ewig aus ihrem Gedächtnis tilgen könnte.
Schwamm drüber, herunterschlucken, weit weg in die hinterste Schublade verfrachten und so tun, als wäre nichts gewesen!
Leider funktioniert das nicht, weil dieser Triebtäter einfach nicht aus ihrem Leben verschwinden will!
Das erste Wiedersehen, nach dem, was Lisa so dringend vergessen will, ist die Hölle. Obwohl der Macho so tut, als wäre nichts geschehen und Lisa sich die größte Mühe gibt, es ihm gleichzutun.
Dennoch, was da neuerdings zwischen ihnen steht, dröhnt so laut, dass ihr die Ohren klingeln, sobald sie sich im Gebäude des Senders befindet. Erschwerend hinzu kommen die bedeutsamen Kommentare ihrer Kollegen, allen voran Rebekkas. Die betrachtet Chris und Lisa neuerdings, als handele es sich um gefährliche Substanzen, die, miteinander vermengt, ein höchst explosives Gemisch ergeben. Na ja, wenigstens damit liegt sie nicht ganz falsch.
Mit Abstand am grausamsten jedoch ist die Reaktion der Hörer. Die haben am 31. Dezember – entgegen seiner wilden Versprechungen – offensichtlich nicht nur beiläufig zugehört, sondern ihre Ohren an die Lautsprecher ihrer Radios getackert.
Und ...
Sie sind hellauf begeistert!
Mit jeder eintreffenden Mail wird ein neuer, bisher unerreichter Tiefpunkt in Lisas Leben markiert.
Chris scheint sich ja prächtig zu amüsieren, was sie überhaupt nicht verwundert. Dieser Mensch kennt kein Benehmen, keine Reue und keine Regeln. Wie sollte er mit einem Mal anders reagieren? Das hätte ja nur die Konstellation der Gestirne durcheinandergebracht.
Die erste Woche vergeht in einem Strudel
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