Starke Frau, was nun?
den tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen entdeckt allerdings auch Lisa erst jetzt. Beinahe jeder Fünfte gehört zu ihnen.
Woher kommen die?
Es geht so schnell, das niemand die Chance hat, zu reagieren. Die ersten Rauchbomben werden gezündet, kurz darauf fliegen Steine. »FUCK THE SYSTEM!«, brüllt eine tiefe Stimme neben ihr und im nächsten Moment zischt die erste brennende Flasche an ihr vorbei. Und die Polizei löst sich aus der Beobachtungsposition und drängt nach vorn - und die Demonstranten somit gnadenlos zusammen.
»FUCK!«, knurrt Chris; Lisa fühlt seine Hand in ihrer und beobachtet, wie er sich gleichzeitig Katrins greift. Im nächsten Moment wird es verdammt eng, weil plötzlich von allen Seiten die Beamten auf sie eindrängen und ihre Reihen zu schließen. Die nächsten Steine werden geworfen und Lisa hört die ersten Schreie. Einer ist sehr nah, und diese spezielle Stimme ist ihr nicht unbekannt. Kurz darauf sieht sie Peggy, die dicht über dem Auge aus einer klaffenden Wunde blutet und wie angestochen kreischt.
»CHRIS!«, brüllt sie. Der folgt ihrem Blick. »FUCK!«, knurrt er wieder und mustert die beiden Mädchen eilig. »Bleibt zusammen! Damn it!«
Dann versucht er, zu der verletzten Peggy vorzudringen, was gar nicht so einfach ist. Die eben noch ruhige Menge ist plötzlich ein Kessel, der aufgrund Platzmangels demnächst in Panik ausbrechen wird.
Die Autonomen werfen ihre Steine; sie sollen wohl die Beamten treffen, aber im Grunde ist es völlig egal, Hauptsache das Ziel ist körperlich, warm und produziert Blut.
»ANARCHIE! ANARCHIE!«, skandiert der Erste und die anderen fallen ein. Darunter mengen sich die zunehmend entsetzten Schreie der eingeschlossenen friedlichen Demonstranten. Mit zitternden Beinen klammert Lisa sich an Katrin, was nur leider nicht viel bringt, weil sie ständig hin und her geworfen werden. Und als ihr der Erste von diesen schwarzen Bastarden einen miesen Schlag in die Seite verpasst, dreht sie durch.
»DU SAU!«, brüllt sie los und wirft sich auf den riesigen und recht bulligen Kerl, der ohne Rücksicht auf Verluste auf sie einschlägt. Aus welchem Grund auch immer – vielleicht ist er einfach besoffen.
Sie spürt seine derbe Faust im Gesicht und sieht Sterne; in weiter Ferne vernimmt sie ein dumpfes Knurren. »YOU FUCKED UP SCUM! I‘LL KILL YOU!« Die Stimme des Amis überschlägt sich; wenig später packt er ihren Arm und will sie wegzerren, doch Lisa, die Sterne sind inzwischen wieder verschwunden, wehrt sich mit Händen und Füßen und keift: »Den koof ick mir!«
Chris knurrt noch lauter, packt sie um die Taille und will sie fortschleppen. Doch der Typ, dem er soeben ein paar gut platzierte Schläge verpasst hat, ist nicht allein. Als sich der Nächste Lisa greifen will, fährt der tobsüchtige Chris herum und boxt ihm mit der Faust frontal auf die Nase. Fünf Leute zerren an seiner Jacke; er wehrt sie erfolgreich ab und packt wieder die um sich schlagende Lisa, die sich auf den nächsten Kerl werfen will und dabei wie am Spieß brüllt.
»Jetz biste dran, du Penner! Jetz mach ick dir fertich!«
Sein Blick fällt auf die kleine Katrin, die wirkt, als würde derzeit ein spannender Film laufen, dem sie nach etlichen Joints nur noch schemenhaft folgen kann. Ihren Arm nimmt er auch noch und dann zerrt er sie zu den anderen Frauen. Deren Schilder sind längst verschwunden; Lisa schätzt, sie befinden sich irgendwo auf dem Asphalt.
»TAKE EACH OTHER‘S HANDS!«, brüllt Chris über den ohrenbetäubenden Lärm hinweg. Gertrud und Karla haben die blutende Peggy in ihrer Mitte. Eilig nimmt jede die Hand einer Schwester. »HEADS DOWN!«, dröhnt er als Nächstes. »ALL RIGHT?«
Niemand antwortet, doch er hat auch nicht die Absicht zu warten. Über ihren Köpfen schwirrt gerade der nächste Molotowcocktail Richtung Hauswand, von dem anhaltenden Steinregen mal ganz zu schweigen. Woher nehmen die Typen die ganzen Steine?
»GET OUT, NOW!«, grollt er wohl mehr zu sich selbst und schiebt ohne Rücksicht auf Verluste. Es gelingt ihnen, die Reihen der Polizisten sind mittlerweile löchrig; jedenfalls können sie wenig später Peggy auf den Boden legen, ohne zu riskieren, dass diese totgetrampelt wird. In der Ferne sind Blaulichter und Sirenen auszumachen; vor ihnen und um sie herum kämpfen die Menschen. Wer gegen wen ist nicht auszumachen. Scheiben klirren, beißender Rauch macht sich breit – gesättigt von tonnenweise Pfefferspray, das von der freundlichen
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