Starke Frauen
Konzertangebote ablehnen, obwohl die Einnahmen aus seinen Werken nicht reichen. Clara fragt sich zum ersten Mal: Will er ein Hausweib oder eine leidenschaftliche Doppelgängerin? Und sie wird schwanger.
Jetzt muss sie konzertieren, doch er gibt ihr die Schuld am Misserfolg seiner Werke. »Ich weiß kaum mehr, wie ich noch spielen soll.« Sie verliert allmählich ihr künstlerisches Selbstwertgefühl und Robert sein psychisches Gleichgewicht: »Es geht nicht mehr mit mir. Lache nur nicht. Jetzt komponiere du nur für mich.« Sie tut, was er sagt, doch er nörgelt: »Clara hat eine Reihe von kleineren Stücken geschrieben. Aber Kinder haben und komponieren geht nicht zusammen.« Die nächste Tournee. Robert weigert sich mitzukommen: »Soll ich denn mein Talent vernachlässigen, um dir als Begleiter auf der Reise zu dienen?«
Dass ihr gemeinsamer Traum von einer doppelten Künstlerexistenz wohl doch nicht zu verwirklichen ist, wird spätestens 1844 in Moskau klar, Madame Schumann wird von der Zarenfamilie hofiert, ihn fragt man: »Und Sie? Machen Sie auch etwas mit Musik?«
Das »Ehetagebuch« wird aufgegeben, jetzt schreibt sie ihr Tagebuch, und er führt das Haushaltsbuch, in dem er nicht nur Ausgaben, sondern auch Sex festhält: »Vier Badebillets, Porto, Kaffee, Abendessen, Beischlaf.« Für Clara ist Kinderkriegen eine unabdingbare Begleiterscheinung der Ehe, aber keineswegs ihre existenzielle Erfüllung.Darum hat man ihr vorgeworfen, eine Rabenmutter zu sein. Ihre Tochter Eugenie fragt sich in ihrem Buch Claras Kinder : »Gar manchmal sagten wir zueinander: Was könnte Mama wohl am ehesten aus ihrem Leben missen – uns oder die Kunst? Und fanden die Antwort nicht.«
Schumann bekommt Depressionen, sein Gehör lässt nach. Er versagt als Orchesterdirektor in Düsseldorf, wohin die ganze Familie (sie haben inzwischen fünf Kinder) umgezogen ist. Holland, 1853. Die letzte gemeinsame Konzertreise. Robert dirigiert sein Klavierkonzert, Clara ist die Solistin. Das Publikum jubelt, Studenten veranstalten einen Fackelzug vor ihrem Hotel. Schumann spürt erstmals, dass er eine europäische »Zelebrität« wird, und Clara fühlt sich mit ihren 34 Jahren verbraucht: »Ich bin so entmutigt, dass ich es gar nicht sagen kann«, notiert sie.
Am 30. September 1853 steht vor der Schumann’schen Wohnungstür der 20-jährige Johannes Brahms, um sich beim Maestro für den begeisterten Zeitungsartikel zu bedanken, dem er seinen frischen Ruf als Komponist verdankt. Clara ist von dem blonden Pianisten hingerissen: »Rein wie ein Diamant, weich wie Schnee«, sei er.
Und Brahms? Verliebt sich, fleht die um 14 Jahre ältere Clara an: »O meine Herrin«, schreibt er, »was haben Sie mir angetan, können Sie den Zauber nicht wieder von mir nehmen?« Schumann hat sich längst der realen Welt entzogen. Am Rosenmontag 1854 stürzt er im Schlafrock in den Rhein, wird gerettet und in ein Sanatorium eingeliefert. Diagnose: Melancholie mit Wahn. Hat sie ihn einliefern lassen, um sich mit dem blonden Jüngling zu vergnügen, wie die Mutter von Brahms vermutet?
Wollte er selbst in Behandlung? Warum hat sie ihn erst zwei Tage vor seinem Tod am 29. Juli 1856 besucht? Wieso besuchte Brahms ihn so oft? Hatte Schumann Syphilis?
Brahms zieht nach wenigen Tagen bei den Schumanns ein, Eugenie erinnert sich: »Über Brahms dachten wir nicht viel nach; er war eben da, aber vor allem liebten wir an ihm seine Liebe zu unsrer Mutter.« Clara überlässt ihm die Kinder und muss auf Tournee: Sie ist Alleinverdienende, allein Roberts Pflege kostet 50 Reichstaler monatlich: »Ich suche meine Pflichten zu erfüllen, mein Unglück zu tragen, so gutich es kann, aber nicht durch Beten und Lesen heiliger Bücher, sondern durch Tätigkeit und das Wirken für andre.«
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»Die Kunst ist mir die Luft, in der ich atme«
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Claras letztes Kind kommt am 11. Juli 1854 auf die Welt: Felix. Brahms ist überglücklich: Das Baby hat blonde Locken wie er. Seither rumort das Gerücht, Felix sei sein Sohn. Nach Schumanns Tod verlässt Brahms Düsseldorf, bleibt Single und Claras Freund, trotz gelegentlicher Dissonanzen. Nach außen hin asketische Witwe, macht sie einen von Roberts »Sonnenjünglingen«, den Organisten Theodor Kirchner, zu ihrem Geliebten.
Clara konzertiert weiter, obwohl sie immer schlechter hört. Die Kritiken sind vernichtend, aber das Publikum hält ihr die Treue, und sie beschwört sich selbst: »Darum nur ja nicht alt werden! Die Ausübung der
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