Starke Frauen
Abwehrchefs ebenso bekannt wie ihre Arbeitsmethoden. Sie soll während der Verhöre vielsagend mit ihrer Reitgerte spielen. Oder einen Revolver streicheln. Oder von Spionen erzählen, die sie auffliegen ließ, um von wichtigeren abzulenken. Und da sie stets eine Maske trägt, können ihre Spione, selbst wenn sie enttarnt werden, ihre Identität nicht preisgeben.
Bleibt die Frage: War Elsbeth Schragmüller tatsächlich das, was zu sein sie behauptete? Jawohl. Denn es gibt einen Augenzeugen: Generalmajor Friedrich Gempp, ab Oktober 1913 der Sektion III b zugeteilt, verfasste nach Kriegsende einen Erfahrungsbericht, in dem er Elsbeths Berichte zitiert.
In einem dieser Schriftstücke geht es um die Agentin mit der Kennnummer H21 – die Kennnummer von Mata Hari. Elsbeth trifft die exotische Nackttänzerin, die Europas Männerwelt betörte, Anfang 1916 im Kölner Domhotel. Zwei Wochen lang versucht sie, der Holländerin Greta Zelle (so Matas echter Name) das Spionage-Handwerk beizubringen, und wird ihre Führungsoffizierin.
Aber eine Frau, die »wie ein Schmetterling in der Sonne« lebt, muss die selbstdisziplinierte »blonde Sirene« beziehungsweise »rote Tigerin« oder »schwarze Katze« (so bezeichnet die Presse Elsbeth) zur Verzweiflung gebracht haben. Dennoch erhofft sie sich wertvolle Informationen, denn die gealterte Mata Hari braucht Geld. »Ausgebildet« nimmt sie bereitwillig drei Fläschchen mit unsichtbarer Tinte sowie 20000 Francs Vorschuss an sich und macht sich ihre Beziehungen zu hochrangigen Offizieren und Diplomaten zunutze. Sie wird enttarnt und im Morgengrauen des 15. Oktober 1917 von den Franzosen hingerichtet: »Mata Hari war das schlechteste Pferd in meinemStall«, stellt ihre Chefin nüchtern fest. »Sie ist wirklich umsonst erschossen worden, denn gebracht hat sie nichts, was wir nicht schon längst gewusst haben.«
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»Ich haderte mit meinen Schicksal, das mich als Frau in die Welt gestellt«
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Nach dem Krieg wird Elsbeth als Spionin anonym zur Fahndung ausgeschrieben, aber, da eine wertvolle Geheimnisträgerin, nicht gefunden. Sie lebt bei ihren Eltern, pflegt die schwer kranke Mutter, setzt in Freiburg bei ihrem Doktorvater ihre wissenschaftliche Karriere als erster weiblicher Lehrstuhlassistent fort, hat Knochenkrebs und verschwindet plötzlich und spurlos.
Fest steht lediglich, dass sie im Alter von 52 Jahren 1940 gestorben ist. Zu jung oder doch rechtzeitig?
Elsbeth war keine Nationalsozialistin. Aber: Hätte sie widerstanden, falls Admiral Canaris, der Chef von Hitlers Nachrichtendienst, ein Dortmunder wie sie, sie reaktiviert hätte?
Noch mehr Fragen: Hat sie je bereut, einer Heimat zu dienen, die sie zwar mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse auszeichnete, aber ihr keine Rente bewilligte? Von der sie zwar kurz vor Kriegsende das kaiserliche Leutnantspatent erhielt, aber die ihren Bruder bereits 1916 zum Oberleutnant beförderte? Die über zwei Millionen Menschen einem bizarren Krieg opferte? Die Quellenlage bleibt dünn.
Das »Fräulein Doktor« ist jedenfalls als ein Sonderfall in die Annalen der Spionage eingegangen. Man kann über die Moralität oder Anrüchigkeit der Spionage streiten. Dass sie im Krieg und im Frieden eine wichtige Rolle spielt, bleibt unbestritten. Für Elsbeth war sie ein »Sonderkriegsschauplatz«: »Und wer ist in diesem Sonderkampfe der Sieger? Am Ende mag der Volksmund die Wahrheit treffen: ›Die Kleinen werden gehängt, die Großen lässt man laufen.‹« Mit diesen Worten, die nach Resignation klingen, endet ihre gedruckte Beichte.
Clara ist ein Wunschkind. Vater Friedrich Wieck besteht darauf, eine Tochter zu bekommen; er hält Mädchen für gefügiger und ignoriert seine drei Söhne. Als Mutter Marianne, eine Pianistin, sich scheiden lässt und ihre Kinder beim Vater bleiben, ist Clara vier, hat noch kein einziges Wort gesagt. Sie spricht erst mit fünf – da beginnt der Vater mit dem Klavierunterricht. Der Klavierhändler und -lehrer konzentriert seinen ganzen Ehrgeiz auf die Tochter.
Aus dem Scheidungskind wird ein Wunderkind. Clara ist neun, als sie in einem weißen Musselinkleid im Leipziger Gewandhaus debütiert: »Das Klatschen hat mich aber verdrossen«, schreibt sie der Mutter, die, wieder verheiratet, in Berlin lebt. Mit elf komponiert Clara ihr Opus 1 und darf dem 81-jährigen Goethe vorspielen, der meint, in ihr stecke die Kraft von sieben Knaben. Clara funktioniert fast wie ein Roboter, macht »Furore« mit Bravourstücken, die
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