Starke Kinder
ich hätte nie gewusst, wie oder mit welchen Wörtern ich es hätte sagen können. Ich weiÃ, es mag ein bisschen kindisch sein, aber ich bekomme es ja heute noch nicht über die Lippen, wie es heiÃt, und dabei ist es nun 27 Jahre her ⦠Hinzu kommt auch, ich habe mich sehr geschämt. Ich wusste zwar nicht wirklich, was das war, was mein Onkel mit mir gemacht hat, aber irgendwie war es nicht richtig. Alles was damit (Sexualität) zu tun hat, ist nicht richtig. So habe ich es gelernt. Man macht es nur, um Kinder zu haben. Also war es nicht richtig. Ich habe mich ja auch nie richtig gewehrt. Ich hätte doch schreien können und es meiner Tante oder meinen Eltern sagen können. Also muss ich es ja gewollt haben â¦â
âMein Onkel hat uns Mädchen immer an den Po gefasst, wenn er die Möglichkeit hatte. Irgendwie wussten es alle, dass er so etwas macht. Es war einfach so. Mir war es unangenehm, alles in mir sträubte sich. Aber weil keiner was sagte, sagte ich auch nichts. Weggehen war auch nicht möglich. Spätestens bei dem von ihm eingeforderten Gutenachtkuss war es so weit.â
âIch habe Angst, dass Sie jetzt schlecht über mich denken. Mein Stiefvater zwang mich zu ihm ins Bett zu kommen, wenn meine Mutter nicht zu Hause war. Wenn ich mich wehrte, schlug er mich. Also wehrte ich mich nicht mehr. Wenn ich dann bei ihm war, war es manchmal auch schön. Er kitzelte mich. Dann streichelte und küsste er mich. Das machte ein schönes Gefühl in mir drinnen. Ich wollte es nicht und doch hatte ich manchmal dieses Gefühl. Ich weià gar nicht, ob ich es nicht doch wollte. Das hätte ich meiner Mutter nie erzählen können!â
Was sollten Sie wissen?
Sexualität ist etwas sehr Schönes. Kinder und Erwachsene können die ihnen eigenen Formen der Sexualität genieÃen. Die Sexualentwicklung des Kindes hat auÃerdem eine groÃe Bedeutung auch für andere Entwicklungsbereiche wie die Entwicklung des Körpergefühls, des Selbstwerts und auch der Scham (siehe Kapitel 2 ). Eine sexualfreundliche Erziehung hilft mit, Beziehungs- und Liebesfähigkeit zu entwickeln. Ein positives Bild von sich und dem eigenen Körper aufzubauen ist mit tiefen und starken Gefühlen verbunden. Kindern und Jugendlichen soll eine positive Einstellung zu sich und einen verantwortungsbewussten Umgang mit sich selbst und anderen ermöglicht werden. Sexualerziehung will zur Entwicklung der Geschlechtsidentität, zur Auseinandersetzung mit Rollenbildern beitragen und die Persönlichkeit von Kindern stärken.
Gleichzeitig ist Sexualaufklärung eine zentrale Präventionsstrategie gegen sexuellen Missbrauch. Wachsen Kinder beispielsweise in einer Umgebung auf, die Sexualität tabuisiert, besteht die Gefahr, dass sie sexuelle Ãbergriffe nicht als solche identifizieren können. Kinder sollten aus Sicht der Prävention sexuellen Missbrauchs zumindest in der Lage sein, ihre Geschlechtsmerkmale sowie das Geschehen während eines Missbrauchs zu benennen. Hierfür benötigen sie Worte. Sie brauchen die âErlaubnisâ über âsolcheâ Themen zu sprechen. Die Tabuisierung von Sexualität und Körperlichkeit kann und sollte behutsam aufgehoben werden. Eine vollständige Enttabuisierung und Liberalisierung von Sexualität kann ebenfalls einen Risikofaktor darstellen. Wird die Schamentwicklung nicht auf angemessene Weise gefördert oder werden routinemäÃige Interaktionen sexualisiert, erhöht sich die Gefahr eines sexuellen Missbrauchs.
Aber Achtung: Die Sexualerziehung würde deutlich zu kurz greifen, würden wir sie nur als eine Möglichkeit zur Prävention sexuellen Missbrauchs sehen. Wir würden unsere Kinder wesentlicher Erfahrungen berauben, wenn Sexualität zwangsläufig mit Gewalt in Verbindung gebracht wird.
Sexuelle Ãbergriffe werden von Kindern nicht immer abgelehnt. Es können auch schöne Gefühle entstehen. Viele Opfer berichten sehr verschämt, auch so etwas wie Lustgefühle neben all der Angst und Ohnmacht erlebt zu haben. Wir wissen, dass schon kleine Kinder Lustgefühle empfinden können. Eine rein physische Stimulation kann solche Gefühle auslösen. Häufig jedoch schlieÃen missbrauchte Kinder daraus, dass sie den Missbrauch ja gewollt haben müssen â sonst hätten sie ja wohl keine schönen Gefühle gehabt. Dies führt zu sehr
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