Starkes Gift
ist, aber um die Geschworenen zu überzeugen, würde ich etwas Besseres vorziehen als ein credo quia impossibile.«
»Hiebfest hin, stichfest her«, meinte Wimsey unbeirrt.
»Wir haben etwas übersehen, das ist alles. Wahrscheinlich sogar etwas vollkommen Offensichtliches. Man gebe mir den berühmten Morgenrock und die Shagpfeife, und ich werde es auf mich nehmen, diese kleine Schwierigkeit für euch im Handumdrehen zu lösen. Inzwischen wirst du, Charles, zweifellos etwas tun, um von Amts wegen die Beweise sicherzustellen, die unsere lieben Freunde mit ihren unkonventionellen Methoden bereits herbeigeschafft haben, und dich bereit halten, um im gegebenen Augenblick den richtigen Mann zu verhaften?«
»Das werde ich«, sagte Parker, »und zwar mit Vergnügen. Von allen persönlichen Erwägungen einmal abgesehen, würde ich viel lieber diesen geleckten Knilch auf der Anklagebank sitzen sehen als irgendeine Frau, und wenn die Polizei einen Fehler gemacht hat, ist es für alle Beteiligten um so besser, je eher er berichtigt wird.«
Wimsey saß noch spät in der Nacht in seiner schwarz-gelben Bibliothek, wo die großen Folianten von den Wänden auf ihn herabstarrten. Alle Weisheit und Poesie dieser Welt war in ihnen enthalten, nicht zu reden von den Tausenden von Pfund, die darin steckten, doch nun standen diese Ratgeber alle stumm auf ihren Regalen. Auf Tischen und Sesseln verstreut lagen indessen die grellroten Bände mit den Berichten über berühmte englische Strafprozesse – Palmer, Pritchard, Maybrick, Seddon, Armstrong, Madeleine Smith – sämtliche großen Arsenmörder – im trauten Verein mit den größten Kapazitäten der Gerichtsmedizin und Toxikologie.
Die Theaterbesucher strebten in Limousinen und Taxis nach Hause, über der leeren Weite des Piccadilly strahlten die Lichter, dann und wann rumpelten schwere nächtliche Lastwagen langsam übers Pflaster; die lange Winternacht schwand dahin, und über das Londoner Dächermeer mühten sich die ersten zögernden Vorboten der winterlichen Morgendämmerung. Bunter saß schweigsam und sorgenvoll in seiner Küche, kochte Kaffee auf dem Gasherd und las ein und dieselbe Seite einer fotografischen Fachzeitschrift immer wieder von vorn.
Um halb neun ertönte die Klingel aus der Bibliothek.
»Mylord?«
»Mein Bad, Bunter.«
»Sehr wohl, Mylord.«
»Und einen Kaffee.«
»Sofort, Mylord.«
»Und stellen Sie die Bücher zurück, bis auf diese.«
»Ja, Mylord.«
»Ich weiß jetzt, wie es gemacht wurde.«
»Wirklich, Mylord? Gestatten Sie mir, Ihnen mit allem Respekt zu gratulieren.«
»Ich muß es aber noch beweisen.«
»Eine Nebensächlichkeit, Mylord.«
Wimsey gähnte. Als Bunter kurz darauf mit dem Kaffee wiederkam, war er eingeschlafen.
Bunter räumte leise die Bücher fort und betrachtete neugierig die Titel derer, die noch offen auf dem Tisch lagen. Es waren: Der Prozeß Florence Maybrick, Dixon Manns Gerichtsmedizin und Toxikologie, ein Buch mit einem fremdsprachigen Titel, den Bunter nicht lesen konnte, und Ein Junge aus Shropshire von A. E. Housman.
Bunter überlegte eine Weile, dann schlug er sich leise auf den Schenkel.
»Natürlich!« flüsterte er. »Mein Gott, was waren wir allesamt für Schafsköpfe!« Er tippte seinem Gebieter leicht auf die Schulter.
»Ihr Kaffee, Mylord.«
21. Kapitel
»Sie wollen mich also nicht heiraten?« fragte Lord Peter.
Die Untersuchungsgefangene schüttelte den Kopf.
»Nein. Das wäre Ihnen gegenüber nicht fair. Und außer-
dem –«
»Ja?«
»Ich habe Angst davor. Das würde nicht gutgehen. Wenn Sie wollen, werde ich mit Ihnen leben, aber heiraten werde ich Sie nicht.«
Ihr Ton war so unsagbar niedergeschlagen, daß Wimsey sich für dieses verlockende Angebot nicht begeistern konnte.
»Aber so etwas geht auch nicht immer gut«, begehrte er auf. »Zum Teufel, Sie müßten es doch wissen – entschuldigen Sie, wenn ich darauf anspiele – aber es ist so furchtbar unpraktisch, und man bekommt genausooft Streit, wie wenn man verheiratet ist.«
»Das weiß ich. Aber Sie könnten sich jederzeit wieder von mir losmachen.«
»Das würde ich gar nicht wollen.«
»Doch, das würden Sie! Sie haben auf Familie und Traditionen Rücksicht zu nehmen. Cäsars Frau und so.«
»Ich pfeife auf Cäsars Frau. Und was die Familientradition angeht, die steht auf meiner Seite, soweit sie was wert ist. Alles, was ein Wimsey tut, ist richtig, und gnade der Himmel dem, der sich ihm in den Weg stellt. Das haben wir
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