Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
geeigneter Weise auszuräumen. Aber ich glaube nicht, daß er davon wußte. Ich beziehe mich auf das, was du uns heute berichtet hast. Die Polizei hat sich mit Miss Williams, der Krankenschwester, noch einmal in Verbindung gesetzt, und sie sagt, Norman Urquhart habe sorgsam darauf geachtet, daß er nie mit dem Patienten allein war, und ihm nie etwas zu essen oder seine Medizin gegeben, selbst nicht in ihrer Anwesenheit. Läßt das nicht auf ein schlechtes Gewissen schließen?«
    »Du wirst keinen Anwalt und keinen Geschworenen finden, der dir das abnimmt, Peter.«
    »Schon, aber kommt es dir denn nicht komisch vor? Hören Sie sich das mal an, Miss Murchison. Eines Tages hatte die Schwester irgend etwas im Krankenzimmer zu tun, und die Medizin stand auf dem Kaminsims. Es wurde etwas darüber gesagt, und Boyes meinte: ›Ach, machen Sie sich keine Umstände, Schwester. Norman kann mir das geben.‹ Sagt Norman darauf: ›Na klar, Junge‹, wie Sie oder ich sagen würden? Nein! Er sagt: ›Nein, das überlasse ich der Schwester – ich würde am Ende noch was verpfuschen.‹ Ganz schön schwach, wie?«
    »Viele Leute haben Hemmungen, Kranke zu versorgen«, antwortete Miss Murchison.
    »Richtig, aber die meisten Leute können etwas aus einer Flasche in ein Glas gießen. Boyes lag nicht im Todeskampf – er sprach noch völlig vernünftig und so weiter. Ich sage, der Mann hat sich bewußt vor Verdächtigungen geschützt.«
    »Möglich«, sagte Parker, »aber nun sag endlich, wann hat er ihm denn das Gift verabreicht?«
    »Wahrscheinlich gar nicht während des Abendessens«, sagte Miss Murchison. »Wie Sie sagen, sind die Vorkehrungen sehr augenfällig. Sie könnten geradezu darauf angelegt sein, daß man sich ganz auf das Abendessen konzentrieren und andere Möglichkeiten außer acht lassen sollte. Hat er einen Whisky getrunken, als er ankam oder bevor er fortging oder so?«
    »Leider nein. Bunter hat sich fast wie ein Heiratsschwindler mit Hannah Westlock befaßt, und sie sagt, sie habe Boyes bei seiner Ankunft die Tür geöffnet, er sei geradewegs in sein Zimmer hinaufgegangen, Urquhart sei um die Zeit nicht im Haus gewesen und erst eine Viertelstunde vor dem Abendessen gekommen, und die beiden seien sich bei dem berühmten Glas Sherry in der Bibliothek zum erstenmal begegnet. Die Schiebetüren zwischen Bibliothek und Speisezimmer waren offen, und Hannah hat die ganze Zeit dort herumgewerkelt und den Tisch gedeckt, und sie ist sicher, daß Boyes den Sherry und nichts als den Sherry zu sich genommen hat.«
    »Nicht einmal eine Verdauungstablette?«
    »Nichts.«
    »Und nach dem Essen?«
    »Nachdem sie das Omelett gegessen hatten, hat Urquhart etwas von Kaffee gesagt. Boyes hat auf die Uhr gesehen und gemeint: ›Nein, ich habe keine Zeit mehr; ich muß jetzt in die Doughty Street.‹ Urquhart hat gesagt, er werde ein Taxi rufen, und ist hinausgegangen, um das zu tun. Boyes hat seine Serviette zusammengelegt, ist aufgestanden und in die Diele gegangen. Hannah ist ihm nachgegangen und hat ihm in den Mantel geholfen. Das Taxi kam. Boyes ist eingestiegen und fortgefahren, ohne Urquhart noch einmal gesehen zu haben.«
    »Mir scheint«, sagte Miss Murchison, »daß Hannah eine sehr wichtige Zeugin für Mr. Urquharts Verteidigung ist. Meinen Sie nicht – ich sage das ungern – aber meinen Sie nicht, daß vielleicht Bunters Gefühle sein Urteilsvermögen trüben könnten?«
    »Er sagt«, erwiderte Lord Peter, »daß er Hannah für tief religiös hält. Er hat neben ihr in der Kirche gesessen und das Gesangbuch mit ihr geteilt.«
    »Aber das kann doch reine Heuchelei sein«, sagte Miss Murchison ziemlich scharf, denn sie war eine überzeugte Rationalistin. »Ich traue diesen Frömmlern nicht.«
    »Ich wollte damit auch nicht Hannahs Tugend beweisen«, sagte Wimsey, »sondern Bunters Unbestechlichkeit.«
    »Er sieht doch selbst aus wie ein Vikar.–«
    »Sie haben Bunter noch nicht außer Dienst erlebt«, sagte Lord Peter düster. »Ich aber. Und ich kann Ihnen versichern, daß ein Gesangbuch auf sein Herz so besänftigend wirkt wie Whisky pur auf die Leber eines Anglo-Inders. Nein, wenn Bunter sagt, daß Hannah ehrlich ist, dann ist sie ehrlich.«
    »Dann scheiden die Getränke und das Essen also endgültig aus«, sagte Miss Murchison, nicht ganz überzeugt, aber bereit, unvoreingenommen zu sein. »Wie steht es mit der Wasserflasche in seinem Zimmer?«
    »Hol’s der Teufel!« rief Wimsey. »Ein Pluspunkt für Sie, Miss

Weitere Kostenlose Bücher