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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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nicht allzusehr ins Vertrauen zu ziehen.«
     
    Wimsey kochte noch innerlich von dieser Konfrontation, als er Mr. Urquharts Kanzlei in der Bedford Row betrat. Der Bürovorsteher erinnerte sich seiner und begrüßte ihn mit der Ehrerbietung, die einem hochgestellten und erwarteten Besucher zukommt. Er bat Seine Lordschaft, einen Augenblick Platz zu nehmen, und verschwand nach hinten.
    Eine Büroangestellte mit hartem, häßlichem, fast maskulinem Gesicht blickte von ihrer Schreibmaschine auf, als die Tür sich schloß, und nickte Lord Peter ganz kurz zu. Wimsey erkannte sie als eine aus seinem »Katzenhaus« und spendete Miss Climpson im Geiste ein Lob für schnelle und gute Organisation. Kein Wort wurde jedoch zwischen ihnen gewechselt, und im nächsten Moment erschien auch schon wieder der Bürovorsteher und bat Lord Peter, einzutreten.
    Norman Urquhart erhob sich hinter seinem Schreibtisch und streckte freundlich die Hand zum Gruß aus. Wimsey hatte ihn beim Prozeß gesehen, und dabei waren ihm seine gutsitzende Kleidung, sein dichtes, glattes dunkles Haar und die energische, geschäftsmäßige Art aufgefallen, mit der er einen durch und durch seriösen Eindruck erweckte. Jetzt bemerkte er, daß Urquhart etwas älter war, als er aus der Ferne wirkte. Er schätzte ihn auf etwa Mitte Vierzig. Seine Haut war blaß und sonderbar durchscheinend, abgesehen von einer Anzahl kleiner Flecken, wie Sommersprossen, die man um diese Jahreszeit nicht erwartete, schon gar nicht bei einem Mann, der nicht aussah, als hielte er sich viel im Freien auf. Seine dunklen, verschlagenen Augen blickten ein wenig müde drein und hatten braune Ränder, als ob ihnen Sorge nicht fremd wäre.
    Der Anwalt hieß seinen Gast mit einer hohen, angenehmen Stimme willkommen und fragte, womit er ihm dienen könne.
    Wimsey erklärte, er interessiere sich für den Giftmordprozeß Vane und sei von der Kanzlei Crofts Cooper ermächtigt, Mr. Urquhart mit Fragen zu belästigen, nicht ohne hinzuzufügen, wie sehr er es bedauere, ihn von der Arbeit abzuhalten.
    »Aber nicht doch, Lord Peter. Ich bin nur zu gern bereit, Ihnen in jeder Hinsicht zu helfen, obwohl ich fürchte, daß Sie schon alles gehört haben, was ich weiß. Natürlich war ich entsetzt über das Ergebnis der Autopsie, und dann, wie ich zugeben muß, doch recht erleichtert, daß unter den etwas heiklen Umständen kein Verdacht auf mich selbst fiel.«
    »Schrecklich unangenehm für Sie«, gab Wimsey ihm recht. »Aber offenbar haben Sie ja zum fraglichen Zeitpunkt geradezu bewundernswerte Vorsorge getroffen.«
    »Na ja, wissen Sie, ich glaube, so etwas wird bei uns Anwälten schon zur Gewohnheit. Ich habe natürlich damals noch nichts von Gift geahnt – sonst hätte ich selbstredend sofort auf einer Untersuchung bestanden. Ich hatte damals vielmehr an so eine Art Lebensmittelvergiftung gedacht – nicht Botulismus, dafür stimmten die Symptome ganz und gar nicht – aber eine Kontaminierung der Speisen durch Kochgerätschaften, oder eine Verseuchung der Zutaten durch irgendwelche Bazillen. Ich bin froh, daß sich das nicht bestätigt hat, obwohl die Wahrheit dann auf eine Art noch viel schrecklicher war. Ich finde wirklich, daß in allen Fällen plötzlicher und unerklärlicher Krankheit eine Analyse der Ausscheidungen selbstverständlich sein sollte, aber Dr. Weare schien sich seiner Sache so sicher zu sein, daß ich ganz auf sein Urteil vertraut habe.«
    »Offensichtlich«, sagte Wimsey. »Man denkt ja auch nicht immer gleich daran, daß einer ermordet worden sein könnte – obwohl ich behaupten möchte, daß es öfter vorkommt, als man sich im allgemeinen vorstellt.«
    »Sehr wahrscheinlich, und wenn ich je etwas mit Strafrecht zu tun gehabt hätte, wäre der Verdacht mir vielleicht gekommen, aber ich befasse mich beruflich fast ausschließlich mit Grundeigentumsrecht und dergleichen – und Erb- und Scheidungsrecht und so weiter.«
    »Da wir vom Erbrecht sprechen«, meinte Wimsey obenhin, »hatte Mr. Boyes irgendwelche Aussichten?«
    »Nicht daß ich wüßte. Sein Vater war keineswegs wohlhabend – der übliche kleine Landpfarrer mit kleinem Einkommen, großem Pfarrhaus und baufälliger Kirche. Eigentlich gehört die ganze Familie zum unglückseligen akademischen Mittelstand – mit hohen Steuern belastet und sehr geringem finanziellen Rückhalt. Ich glaube nicht, daß Philip Boyes mehr als ein paar hundert Pfund zu erwarten gehabt hätte, selbst wenn er sie alle überlebt

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