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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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hätte.«
    »Ich dachte, irgendwo lebte noch eine reiche Tante.«
    »O nein – oder denken Sie etwa an Cremorna Garden? Sie ist eine Großtante mütterlicherseits. Aber sie hat schon seit vielen Jahren keine Verbindung mehr mit der Familie.«
    In diesem Augenblick hatte Lord Peter eine dieser plötzlichen Erleuchtungen, wie man sie mitunter hat, wenn zwei an sich voneinander unabhängige Fakten im Gehirn plötzlich miteinander in Berührung kommen. In der Aufregung über Parkers Mitteilung wegen des weißen Päckchens hatte er Bunters Bericht über sein Teekränzchen mit Hannah Westlock und Mrs. Pettican nicht mit der gebührenden Aufmerksamkeit angehört, aber jetzt fiel ihm etwas ein, was mit einer Schauspielerin zu tun hatte, deren Name so komisch war, »wie Hyde Park oder so was Ähnliches«. Jetzt knüpfte sich die Verbindung in seinem Gehirn so glatt und mechanisch, daß seine nächste Frage fast ohne Überlegungspause folgte.
    »Ist das nicht Mrs. Wrayburn aus Windle in Westmoreland?«
    »Ja«, sagte Mr. Urquhart. »Ich war übrigens gerade erst oben, um nach ihr zu sehen. Natürlich, ja, Sie haben mir dorthin geschrieben. Die arme alte Frau ist schon seit fünf Jahren ganz kindisch. Ein elendes Leben – so dahinzuvegetieren, sich selbst und anderen zur Last. Mir will es immer grausam vorkommen, daß man diese armen alten Leute nicht einfach einschläfern darf, wie man es mit seinem Lieblingstier tun würde – aber das Gesetz erlaubt uns solche Barmherzigkeit nicht.«
    »Ja, der Tierschutzverein würde uns auf glühenden Kohlen rösten, wenn wir eine Katze leiden ließen«, sagte Wimsey. »Geradezu widersinnig, nicht? Aber es ist immer dasselbe. Da schreiben Leute empört an die Zeitungen, wenn einer einen Hund in einem zugigen Zwinger hält, und geben keinen Pfifferling darum, wenn Hausbesitzer dreizehnköpfige Familien in einen Kellerraum pferchen, der kein Glas in den Fenstern und nicht einmal Fenster hat, in die man das Glas einsetzen könnte. Das macht mich manchmal ganz rasend, obwohl ich sonst ein ziemlich friedlicher Zeitgenosse bin. Die arme alte Cremorna Garden – aber es muß ja jetzt mit ihr zu Ende gehen. Lange kann es bestimmt nicht mehr dauern.«
    »Ja, wir haben neulich schon alle gedacht, es ist aus mit ihr. Ihr Herz macht nicht mehr mit – sie ist schon über Neunzig, die arme Seele, und bekommt von Zeit zu Zeit diese Anfälle. Aber in diesen alten Damen steckt manchmal eine erstaunliche Lebenskraft.«
    »Dann sind Sie jetzt wohl ihr einziger lebender Verwandter.«
    »Ich glaube, ja. Abgesehen von einem Onkel von mir in Australien.« Mr. Urquhart fragte nicht einmal, woher Wimsey das mit der Verwandtschaft wußte. »Nicht daß ich ihr irgendwie helfen könnte, wenn ich da bin, aber ich bin ja auch ihr geschäftlicher Bevollmächtigter, und da ist es schon besser, wenn ich im Falle eines Falles an Ort und Stelle bin.«
    »Sehr richtig, sehr richtig. Und als ihr Bevollmächtigter wissen Sie natürlich auch, wie sie über ihr Vermögen verfügt hat?«
    »Aber natürlich. Obwohl ich im Augenblick – verzeihen Sie – nicht ganz verstehe, was das mit unserem augenblicklichen Problem zu tun hat.«
    »Nun, sehen Sie«, sagte Wimsey, »mir ist der Gedanke gekommen, daß Philip Boyes irgendwie in eine finanzielle Bedrängnis gekommen sein könnte – das kommt in den besten Familien vor – und, sagen wir, den kürzesten Ausweg genommen hat. Wenn er aber etwas von Mrs. Wrayburn zu erwarten hatte und das alte Mädchen – ich meine die arme alte Dame – so nah daran war, dieses irdische Jammertal zu verlassen, nicht wahr, dann hätte er doch damit gewartet oder sich mit einem nach ihrem Tod fälligen Wechsel über Wasser gehalten oder dergleichen. Verstehen Sie jetzt?«
    »Ach so, ja – Sie wollen auf Selbstmord hinaus. Nun, ich muß sagen, daß dies die aussichtsreichste Verteidigung ist, die Miss Vanes Freunde konstruieren können, und was das betrifft, kann ich Sie sogar unterstützen. Das heißt insofern, als Mrs. Wrayburn Philip keinen Penny zugedacht hat. Und soviel ich weiß, hatte er auch nicht den mindesten Grund, etwas von ihr zu erwarten.«
    »Sind Sie dessen sicher?«
    »Vollkommen. Genauer gesagt« – Mr. Urquhart zögerte – »nun ja, ich kann Ihnen wohl auch sagen, daß er mich eines Tages danach gefragt hat und ich ihm sagen mußte, daß er nicht die mindeste Aussicht hatte, etwas von ihr zu bekommen.«
    »Oh – er hat also gefragt?«
    »Ja.«
    »Das ist doch ziemlich

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