Starkes Gift
dürfen –«
»Was hast du denn angenommen, Alter?« fragte Wimsey, den Kopf schiefgelegt wie ein Sperling.
»Nichts, woran jemand hätte Anstoß nehmen können«, sagte Parker hitzig. »Was stellst du dir eigentlich vor, Wimsey? Ich verstehe vollkommen, daß es von deinem Standpunkt aus unpassend ist, wenn Lady Mary Wimsey in aller Öffentlichkeit mit einem Polizisten ausgeht, aber wenn du glaubst, ich hätte je ein Wort zu ihr gesagt, das nicht mit der größten Schicklichkeit –«
»– auch im Beisein ihrer Frau Mutter hätte gesprochen werden können, tust du der reinsten und süßesten Frau der Welt bitter unrecht und beleidigst deinen Freund«, nahm Peter ihm die Worte aus dem Mund und beendete schlagfertig den Satz für ihn. »Du bist doch ein vollkommener Viktorianer, Charles. Am liebsten würde ich dich in einen Glaskasten setzen. Natürlich hast du kein Wort gesagt. Und ich möchte wissen, warum?«
Parker stierte ihn nur an.
»Seit ungefähr fünf Jahren«, sagte Wimsey, »starrst du meine Schwester an wie ein verblödeter Hammel und schrickst schon zusammen, wenn nur ihr Name fällt. Was denkst du dir dabei? Schön sieht das nicht aus. Auch nicht lustig. Und das arme Mädchen machst du ganz nervös. Du gibst mir keinen guten Eindruck von deinem Mumm, wenn ich das mal so ausdrücken darf. Ein Mann sieht es nicht gern, wenn ein anderer Mann wegen seiner Schwester ins Schleudern kommt – zumindest wenn das Schleudern so lange anhält. Das kann man ja nicht mit ansehen! Warum schlägst du dir nicht an die männliche Brust und sagst einfach: ›Peter, alter Freund und Kupferstecher, ich habe beschlossen, in den Hafen der Ehe einzulaufen und dir ein Bruder zu sein?‹ Wer hält dich davon ab? Gerald? Ich weiß, daß er ein Esel ist, aber im Grunde ist er gar nicht so schlimm. Helen? Sie ist schon eine Plage, aber du brauchst dich nicht viel mit ihr abzugeben. Bin ich es? Wenn ja, ich spiele sowieso mit dem Gedanken, unter die Eremiten zu gehen – es hat doch mal einen Eremiten Peter gegeben, oder? –, da wäre ich dir also nicht mehr im Weg. Sag schon, wo der Schuh drückt, altes Haus, und wir schneiden ein Loch hinein. Also?«
»Du – du fragst mich –?«
»Ich frage dich nach deinen Absichten, zum Kuckuck noch mal!« rief Wimsey. »Und wenn dir das noch nicht viktorianisch genug ist, weiß ich nichts mehr. Ich verstehe ja, daß du Mary Zeit lassen wolltest, sich von dieser unglücklichen Geschichte mit Cathcart und diesem Goyles zu erholen, aber hol’s der Henker, mein Lieber, man kann die Rücksichtnahme auch übertreiben. Du kannst von einer Frau nicht erwarten, daß sie in alle Ewigkeit auf Abruf steht, nicht? Oder wartest du vielleicht, daß sie dir einen Antrag macht?«
»Hör mal, Peter, sei nicht albern. Wie kann ich deine Schwester bitten, meine Frau zu werden?«
» Wie du das machst, ist deine Sache. Du könntest sagen: ›Na, mein Mädchen, wie wär’s mit ein bißchen Heiraten?‹ Das wäre modern und kurz und unmißverständlich. Oder du kannst auf ein Knie niedersinken und sagen: ›Könnten Sie mir die Ehre erweisen, mir Ihre Hand und Ihr Herz zu schenken?‹, was ziemlich altmodisch ist und heutzutage den Vorzug der Originalität hat. Oder du kannst ihr schreiben oder telegrafieren oder sie anrufen. Aber das überlasse ich ganz und gar deinem Einfallsreichtum.«
»Das ist nicht dein Ernst.«
»Mein Gott! Werde ich wohl je den Ruf eines Hanswursts los? Du machst Mary furchtbar unglücklich, Charles, und ich wollte, du würdest sie endlich heiraten, damit ein für allemal Ruhe ist.«
»Ich mache sie unglücklich?« stieß Parker hervor, daß es fast wie ein Schrei klang. »Ich – sie – unglücklich?«
Wimsey tippte sich vielsagend an die Stirn.
»Holz – solides Holz! Aber der letzte Schlag scheint doch durchgedrungen zu sein. Ja, du – sie – unglücklich – begreifst du’s langsam?«
»Peter – wenn ich im Ernst geglaubt hätte, daß –«
»Nun zerfließ mir hier nicht gleich«, sagte Wimsey, »das lohnt sich bei mir nicht. Heb’s dir für Mary auf. Ich habe meiner Bruderpflicht Genüge getan, und jetzt ist Schluß. Beruhige dich. Wende dich wieder deinen Berichten zu –«
»Himmel, ja«, rief Parker. »Bevor wir weitergehen, ich habe einen Bericht für dich.«
»Hast du? Und warum sagst du das nicht gleich?«
»Du hast mich nicht zu Wort kommen lassen.«
»Also, worum geht’s?«
»Wir haben das Päckchen gefunden.«
»Was?«
»Wir haben das
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