Starkes Gift
Päckchen gefunden.«
»Wirklich gefunden?«
»Ja. Einer von den Barkellnern –«
»Laß die Barkellner aus dem Spiel. Bist du sicher, daß es das richtige ist?«
»Ja, wir haben es identifiziert.«
»Weiter! Habt ihr den Inhalt analysiert?«
»Ja, wir haben den Inhalt analysiert.«
»Und was war drin?«
Parker sah ihn an wie einer, der schlechte Nachrichten zu überbringen hat, und sagte widerstrebend:
»Natriumbikarbonat – simples Natron.«
16. Kapitel
Mr. Crofts meinte verständlicherweise: »Ich hab’s ja gesagt.«
Sir Impey Biggs begnügte sich mit einem knappen: »Sehr bedauerlich.«
Lord Peters Tagesablauf während der nun folgenden Woche zu schildern, wäre weder barmherzig noch erbaulich. Erzwungene Untätigkeit ruft auch bei den Besten unerfreuliche Symptome hervor. Zudem war Chefinspektor Parkers und Lady Mary Wimseys albernes Glück nicht eben dazu angetan, sein Gemüt zu beruhigen, zumal sie ihn mit lästigen Beweisen ihrer Zuneigung überschütteten. Wie der Mann in Max Beerbohms Geschichte haßte er nichts so sehr, wie wenn man ihn »rührend« fand. Erst als er von dem emsigen Freddy Arbuthnot erfuhr, daß Norman Urquhart mehr oder weniger tief in die Pleite des Megatherium Trusts verstrickt gewesen war, hellte sich seine Stimmung ein wenig auf.
Dagegen lebte Miss Kitty Climpson in einem »Wirbel der Geschäftigkeit«, wie sie es selbst gern ausdrückte. Ein Brief, den sie am zweiten Tag nach ihrer Ankunft in Windle schrieb, schildert uns das in allen farbigen Einzelheiten.
»Zur Schönen Aussicht
Windle
Westmoreland
1. Januar 1930
Lieber Lord Peter,
ich nehme an, daß Sie richtig darauf brennen, zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erfahren, was sich hier tut, und obwohl ich erst einen Tag hier bin, finde ich wirklich , daß ich keine allzu geringen Fortschritte gemacht habe!
Mein Zug kam hier am Montagabend sehr spät an, nach einer höchst eintönigen Fahrt und einem unerquicklichen Aufenthalt in Preston, obwohl ich ja, da Sie so freundlich waren und darauf bestanden haben, daß ich erster Klasse fahren sollte, eigentlich gar nicht müde war! Niemand kann ermessen, wieviel dieser zusätzliche Komfort doch ausmacht, besonders wenn man in die Jahre kommt, und nach den vielen unbequemen Reisen, die ich in den Zeiten meiner Armut gemacht habe, komme ich mir jetzt vor, als lebte ich in sündhaftem Luxus. Das Abteil war gut geheizt – eigentlich sogar zu gut, und am liebsten hätte ich das Fenster aufgemacht, wenn da nicht ein sehr dicker Geschäftsmann mitgefahren wäre, der sich bis zu den Augen in Mäntel und wollene Westen gehüllt hatte und von frischer Luft überhaupt nichts wissen wollte. Männer sind ja heutzutage solche Treibhauspflanzen, nicht wahr, ganz anders als mein lieber Vater, der vor dem 1. November und nach dem 31. März nie ein Feuer im Haus duldete, und wenn das Thermometer auf dem Gefrierpunkt stand!
Es war gar nicht schwierig, hier ein gemütliches Zimmer im Bahnhofshotel zu bekommen, obwohl es schon so spät war. Früher hätte man eine unverheiratete Frau, die nach Mitternacht allein mit einem Koffer ankam, kaum als respektabel angesehen – wie wundervoll anders das doch heute ist! Ich bin dankbar, diesen Wandel noch erleben zu dürfen, denn die altmodischen Leute können sagen, was sie wollen, über mehr Sittsamkeit und Schicklichkeit bei den Frauen zu Königin Victorias Zeiten, aber wer sich noch erinnern kann, wie es zuging, weiß, wie schwierig und demütigend die Umstände früher waren!
Gestern morgen war es natürlich mein erstes Ziel, Ihren Instruktionen gemäß eine geeignete Pension zu finden, und ich hatte das Glück, ein solches Haus schon beim zweiten Versuch ausfindig zu machen. Es ist sehr gut geführt und kultiviert und hat drei ältere Damen als Dauerbewohner, die mit dem Ortsklatsch bestens vertraut sind, so daß es gar nichts Vorteilhafteres für unsere Zwecke geben könnte!!
Sowie ich dort mein Zimmer bezogen hatte, bin ich zu einem kleinen Erkundungsausflug aufgebrochen. Ich fand in der High Street einen sehr hilfsbereiten Polizisten und fragte ihn, wie ich Mrs. Wrayburns Haus finden könne. Er wußte es genau und erklärte mir, ich solle mit dem Omnibus bis zur Fischerklause fahren, von dort seien es noch fünf Minuten zu Fuß. Ich folgte also seinen Anweisungen und fuhr mit dem Bus aus der Stadt bis zu einer Straßenkreuzung, an der sich die Fischerklause befindet. Der Schaffner war sehr höflich und hilfsbereit und
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