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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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beschrieb mir den Weg, so daß ich das Haus ohne jede Schwierigkeit fand.
    Es ist ein schönes altes Haus, das ganz für sich allein steht – ziemlich groß, im achtzehnten Jahrhundert erbaut, mit einer italienischen Veranda und herrlichem grünem Rasen und einer Zeder und wohlgeordneten Blumenbeeten, was im Sommer ein wahrer Garten Eden sein muß. Ich habe es mir von der Straße aus eine Weile angesehen – ich glaube nicht, daß mein Benehmen besonders auffällig war, sollte mich jemand gesehen haben, denn jeder kann sich doch für so ein schönes altes Anwesen interessieren. Die meisten Jalousien waren herunter, als ob der größte Teil des Hauses unbewohnt sei, und ich habe keinen Gärtner oder sonst jemanden gesehen – wahrscheinlich ist um diese Zeit nicht allzuviel im Garten zu tun. Einer der Schornsteine rauchte aber, es gab also wenigstens dieses eine Lebenszeichen.
    Ich habe einen kleinen Spaziergang die Straße hinunter gemacht und bin dann umgekehrt und noch einmal an dem Haus vorbeigegangen, und diesmal sah ich ein Dienstmädchen um die Hausecke gehen, aber sie war natürlich zu weit weg, als daß ich sie hätte ansprechen können. Also bin ich wieder mit dem Omnibus zurückgefahren und habe in der Schönen Aussicht zu Mittag gegessen, um mit meinen Mitbewohnerinnen bekannt zu werden.
    Natürlich wollte ich nicht gleich zu neugierig erscheinen, darum habe ich anfangs nichts von Mrs. Wrayburns Haus erwähnt, sondern nur ganz allgemein über Windle gesprochen. Es war nicht ganz leicht, die Fragen der guten alten Damen zu parieren, die sich sehr darüber wunderten, wieso eine Fremde um diese Jahreszeit nach Windle kommt, aber ich glaube, ich habe ihnen, ohne allzu viele direkte Unwahrheiten zu sagen, den Eindruck gegeben, daß ich zu einem kleinen Vermögen (!) gekommen sei und das Seengebiet besucht habe, um ein geeignetes Plätzchen zu finden, wo ich mich nächsten Sommer niederlassen könne! Ich habe auch vom Malen gesprochen – als junge Mädchen haben wir ja alle ein bißchen mit Wasserfarben malen gelernt, so daß ich mit genügend technischen Kenntnissen aufwarten konnte, um sie zu überzeugen!
    Das gab mir gleich eine gute Gelegenheit, mich nach dem Haus zu erkundigen! So ein schönes altes Anwesen, habe ich gemeint, und ob denn dort niemand wohne? ( Natürlich bin ich mit alledem nicht gleich auf einmal herausgeplatzt – zuerst habe ich mir von ihnen die vielen Sehenswürdigkeiten in der Gegend schildern lassen, die einen Künstler interessieren könnten!) Mrs. Pegler, eine korpulente , KATZIGE alte Dame mit HAAREN auf den Zähnen (!), konnte mir alles darüber sagen. Lieber Lord Peter, was ich jetzt noch nicht über Mrs. Wrayburns frühere Schlechtigkeit weiß, LOHNT sich bestimmt nicht zu wissen!! Was aber noch wichtiger ist, sie hat mir den Namen von Mrs. Wrayburns Pflegerin angegeben. Es ist eine Miss BOOTH , eine etwa sechzigjährige ehemalige Krankenschwester, die mit Mrs. Wrayburn und den Dienstboten ganz allein in diesem Haus lebt. Als ich hörte, daß Mrs. Wrayburn schon so alt und gelähmt und gebrechlich sei, habe ich gefragt, ob es denn nicht gefährlich sei, wenn Miss Booth sich als einzige um sie kümmere, aber Mrs. Pegler meinte, die Haushälterin sei eine sehr vertrauenswürdige Person, die schon viele Jahre bei Mrs. Wrayburn arbeite und durchaus imstande sei, nach ihr zu sehen, wenn Miss Booth einmal nicht im Hause sei. Demnach scheint Miss Booth also manchmal aus dem Haus zu gehen! Niemand hier in der Pension scheint sie persönlich zu kennen, aber es heißt, man sieht sie oft in ihrer Schwesterntracht im Ort. Ich habe eine recht gute Beschreibung von ihr aus ihnen herauslocken können, so daß ich mir zutraue, sie leicht zu erkennen, wenn ich ihr einmal begegnen sollte.
    Das ist nun wirklich alles, was ich an einem einzigen Tag herausbekommen konnte. Ich hoffe, Sie sind nicht zu enttäuscht, aber ich mußte mir schließlich so schrecklich viele örtliche Klatschgeschichten anhören, und natürlich konnte ich die Unterhaltung auch nicht mit Gewalt immer wieder auf Mrs. Wrayburn zurückbringen, sonst wäre es noch aufgefallen!
    Ich melde mich sofort wieder, wenn ich die allerkleinste Neuigkeit erfahre.
    Ihre sehr ergebene
KATHERINE Alexandra Climpson«
     
    Miss Climpson beendete den Brief in der Abgeschiedenheit ihres Zimmers und versteckte ihn sorgfältig in ihrer geräumigen Handtasche, bevor sie nach unten ging. Ihre reiche Erfahrung mit dem Pensionsleben warnte

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