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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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– aber das Päckchen da sieht nicht danach aus.«
    »Nein, Mutter«, sagte die jüngere Frau, »weißt du denn nicht mehr? Die Mausefalle wird doch mit der Badewanne gebracht.«
    »Ach ja, natürlich. Nun, dann wäre das klar. Die Mausefalle und die zwei Bratpfannen kommen mit der Badewanne, und damit hätte ich alles, außer der Seife, aber die hast ja du, Gertie. Nein, vielen Dank, aber das Päckchen gehört nicht uns; das muß jemand anders verloren haben.«
    Der alte Herr verweigerte höflich aber bestimmt die Annahme, und die jungen Mädchen kicherten nur. Miss Climpson ging weiter. Im nächsten Raum bedankten sich zwei junge Frauen mit ihren jungen Begleitern und sagten, das Päckchen gehöre nicht ihnen.
    Miss Climpson ging weiter ins dritte Zimmer. In einer Ecke saß eine ziemlich laute Gesellschaft mit einem Airedaleterrier, und ganz hinten, in der dunkelsten und abgelegensten aller Ecken und Nischen im ganzen Oriental saß die Krankenschwester und las in einem Buch.
    Die laute Gesellschaft wußte zu dem Päckchen nichts zu sagen, und Miss Climpson, deren Herz zum Zerspringen klopfte, näherte sich der Pflegerin.
    »Entschuldigen Sie«, sagte sie mit liebenswürdigem Lächeln, »aber ich glaube, dieses Päckchen muß Ihnen gehören. Ich habe es vor der Tür gefunden und schon alle andern Gäste danach gefragt.«
    Die Schwester sah auf. Sie war eine grauhaarige ältere Frau mit jenen merkwürdig großen blauen Augen, die den Betrachter mit ihrem intensiven Blick irritieren und meist auf eine gewisse emotionale Instabilität schließen lassen. Sie lächelte Miss Climpson an und antwortete freundlich:
    »Nein, nein, das ist nicht meins. Sehr freundlich von Ihnen. Aber ich habe alle meine Sachen hier.«
    Sie deutete mit unbestimmter Geste auf die gepolsterte Bank, die rings um die drei Seiten der Nische lief, und Miss Climpson verstand das sofort als Einladung und setzte sich.
    »So etwas Komisches«, sagte Miss Climpson. »Ich war überzeugt, daß jemand es verloren haben muß, als er hier hereinkam. Was soll ich nun damit tun?« Sie drückte vorsichtig an dem Päckchen herum. »Ich glaube ja nicht, daß etwas Wertvolles darin ist, aber man kann nie wissen. Vielleicht sollte ich es zur Polizei bringen.«
    »Sie können es auch bei der Geschäftsführung abgeben«, meinte die Pflegerin, »falls der Eigentümer zurückkommt und danach fragt.«
    »Ach ja, das ginge«, rief Miss Climpson. »Wie klug von Ihnen, daran zu denken! Natürlich, ja, das ist sogar das beste. Sie müssen mich für sehr dumm halten, aber auf den Gedanken bin ich nicht gekommen. Ich glaube, ich bin gar nicht praktisch veranlagt; um so mehr bewundere ich Leute, die es sind. Ihren Beruf könnte ich zum Beispiel nie ausüben. Beim kleinsten Notfall wäre ich sofort ganz durcheinander.«
    Die Pflegerin lächelte wieder.
    »Das ist großenteils eine Frage der Ausbildung«, sagte sie.
    »Und natürlich der Übung. Man kann alle diese kleinen Schwächen heilen, indem man seinen Geist der Kontrolle durch eine höhere Macht unterwirft – finden Sie nicht?«
    Ihr Blick war hypnotisch auf Miss Climpsons Augen geheftet.
    »Das ist sicher richtig.«
    »Es ist so völlig verkehrt«, fuhr die Pflegerin fort, indem sie ihr Buch zuklappte und auf den Tisch legte, »sich vorzustellen, daß irgend etwas im Bereich des Verstandes groß oder klein sei. Noch unsere geringsten Gedanken und Handlungen werden gleichermaßen von den höheren Zentren geistiger Kräfte gelenkt, wenn wir uns nur bereit finden können, daran zu glauben.«
    Eine Kellnerin kam und nahm Miss Climpsons Bestellung entgegen.
    »Ach Gott! Jetzt habe ich mich so einfach an Ihren Tisch gedrängt …«
    »Oh, bitte, bleiben Sie doch«, sagte die Schwester.
    »Wirklich? Ich meine, ich will Sie nicht stören –«
    »Sie stören nicht. Ich führe ein sehr zurückgezogenes Leben und freue mich immer, wenn ich mal mit einem netten Menschen reden kann.«
    »Wie freundlich von Ihnen. Teebrötchen mit Butter, bitte, und ein Kännchen Tee. Das ist eine hübsche kleine Teestube, finden Sie nicht? So still und friedlich. Wenn nur die Leute da drüben mit dem Hund nicht solchen Lärm machten. Ich mag diese großen, starken Tiere ja nicht und glaube auch, daß sie ziemlich gefährlich sind, Sie nicht?«
    Die Antwort entging Miss Climpson, denn sie hatte plötzlich den Titel des auf dem Tisch liegenden Buches erspäht, und der Teufel oder ein hilfreicher Engel (was von beiden, konnte sie nicht sicher

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