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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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einem Teller mit Zuckergebäck.
    »… leider bin ich selbst kein gutes Medium – das heißt, noch nicht. Wenn ich allein bin, gelingt mir überhaupt nichts. Mrs. Craig sagt, das kommt noch mit der Übung und mit Konzentration. Gestern abend habe ich mit der Ouijatafel zu arbeiten versucht, aber sie hat nur Spiralen geschrieben.«
    »Ihr Bewußtsein ist vermutlich zu aktiv«, sagte Miss Climpson.
    »Ja, das muß es sein. Mrs. Craig sagt, ich sei wunderbar einfühlsam. Bei unseren Sitzungen erzielen wir die wunderbarsten Ergebnisse. Leider ist sie zur Zeit im Ausland.«
    Miss Climpsons Herz machte einen Freudensprung, und beinahe hätte sie ihren Tee verschüttet.
    »Dann sind Sie selbst also ein Medium?« fuhr die Schwester fort.
    »Man sagt es«, antwortete Miss Climpson vorsichtig.
    »Ich überlege«, sagte die Schwester, »ob wir nicht, wenn wir gemeinsam –«
    Sie sah Miss Climpson mit hungrigem Blick an.
    »Ich möchte eigentlich nicht –«
    »O doch! Sie sind so ein verständnisvoller Mensch. Ich bin fest überzeugt, daß wir gute Ergebnisse bekommen. Und die Geister sind doch selbst so rührend darauf bedacht, mit uns in Verbindung zu treten. Natürlich würde ich es auch nicht gern versuchen, wenn ich mir der betreffenden Person nicht sicher wäre. Es laufen so viele betrügerische Medien herum–« (»Na, das weißt du wenigstens«, dachte Miss Climpson) – »aber bei jemandem wie Ihnen kann man absolut sicher sein. Sie werden sehen, wie das Ihr Leben verändert. Früher war ich immer so unglücklich über alles Übel und Elend in der Welt – unsereiner bekommt ja so viel davon zu sehen –, bis mir die Gewißheit des Lebens nach dem Tode bewußt wurde, und daß alle Heimsuchungen uns nur geschickt werden, um uns für ein Leben in einer höheren Sphäre bereit zu machen.«
    »Nun«, sagte Miss Climpson langsam, »einen Versuch könnte ich ja mal wagen. Aber wissen Sie, ich kann nicht von mir behaupten, daß ich wirklich daran glaube.«
    »Sie werden – Sie werden!«
    »Natürlich habe ich auch schon manchmal merkwürdige Dinge geschehen sehen – Dinge, bei denen ein Betrug ausgeschlossen war, weil ich die Menschen kannte – und für die ich keine Erklärung wußte –«
    »Kommen Sie doch heute abend zu mir, bitte!« sagte die Pflegerin beschwörend. »Wir werden eine ganz ruhige Séance abhalten, dann sehen wir ja, ob Sie wirklich ein Medium sind. Ich zweifle überhaupt nicht daran, daß Sie eines sind.«
    »Na schön«, sagte Miss Climpson. »Darf ich übrigens Ihren Namen erfahren?«
    »Caroline Booth – Miss Caroline Booth. Ich pflege eine gelähmte alte Frau in dem großen Haus an der Kendal Road.«
    »Gott sei Lob und Dank, wenigstens dafür«, dachte Miss Climpson. Laut sagte sie:
    »Und mein Name ist Climpson – ich glaube, ich habe noch irgendwo eine Karte. Ach nein – ich habe sie in der Pension gelassen. Ich wohne in der Schönen Aussicht. Wie finde ich zu Ihnen?«
    Miss Booth nannte ihr die Adresse und die Abfahrtzeiten des Busses und lud sie noch zum Abendessen ein, was dankbar angenommen wurde. Miss Climpson ging nach Hause und schrieb in größter Eile:
     
    »Lieber Lord Peter,
    Sie werden sich gewiß schon gefragt haben, was aus mir geworden ist. Aber endlich habe ich eine NEUIGKEIT ! Ich habe DIE Festung genommen! !! Heute abend werde ich das Haus aufsuchen, und Sie dürfen GROSSE Dinge erwarten!!!
    In Eile
Ihre sehr ergebene
Katharine A. Climpson«
     
    Miss Climpson ging nach dem Lunch wieder ins Städtchen. Als ehrlicher Mensch holte sie zuerst im Gemütlichen Eck ihren Skizzenblock ab und bezahlte den Kaffee, wobei sie erklärte, sie sei morgens einer Bekannten begegnet und aufgehalten worden. Dann suchte sie eine Reihe von Geschäften auf. Schließlich kaufte sie noch eine metallene Seifendose, die für ihre Zwecke geeignet zu sein schien. Ihre Seitenflächen waren leicht konvex, und wenn man sie in geschlossenem Zustand ein wenig zusammendrückte, sprang sie mit vernehmlichem Knacken in ihre ursprüngliche Form zurück. Diese Dose befestigte sie mit etwas Findigkeit und viel Heftpflaster an einem kräftigen elastischen Strumpfband. Wenn sie dieses Strumpfband über ihr knochiges Knie streifte und die Dose ruckartig gegen das andere Knie drückte, gab diese eine Serie so überraschender Knacklaute von sich, daß der größte Skeptiker die Waffen strecken mußte. Miss Climpson setzte sich vor den Spiegel und übte vor dem Tee eine Stunde lang, bis sie das Knacken mit

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