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Stars & Stripes und Streifenhörnchen

Titel: Stars & Stripes und Streifenhörnchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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Kinderzimmer opfern muss. »Stellt euch nicht so an«, sagte ich dann, und die jüngere Tochter reagierte darauf unwirsch: »Ich dachte, die Zeit der Matratzen sei vorüber«, was per se stimmte, aber eben nur für die besucherfreie Zeit, also selten. Ein untrügliches Zeichen, dass lieber Besuch die Toleranzschwelle der an sich sehr toleranten Töchter tangiert, ist die Frage: »Wann fahren die wieder?« Es konnte aber auch Vorkommen, dass die Töchter des Hauses diese Frage sogar stellten, ehe der liebe Besuch aus Deutschland überhaupt gelandet war, Unter-Kategorie »anstrengend«, Unter-Unter-Kategorie »Dürfen nur in Notfällen wieder kommen.«
    Und es konnte Vorkommen, dass sich der Mann Dienstreisen schon mal so legte, dass er lieben Besuch aus Deutschland um – Pech aber auch – Haaresbreite verpasste, sich mithin der unvermeidlichen Niederlage beim »Schere, Stein, Papier«-Einführungsvortrags-Entscheidungsspiel und dem unweigerlich x-ten Besuch des Empire State Buildings entzog. Das war natürlich ein durchschaubares Manöver, und ich hatte auch kurzzeitig ein schlechtes Gewissen, aber nur kurzzeitig, weil der Beruf, nicht wahr, immer Vorrang hat, und das konnte der liebe Besuch aus Deutschland im Gegensatz zur Frau des Hauses, »du machst dich feige aus dem Staub«, absolut nachvollziehen. Absolut.
    Einmal entging man auf diese Art Besuch der Kategorie »Flüchtige Bekannte«, Unter-Kategorie »anstrengend«, Unter-Unter-Kategorie »bloß nie wieder«. Es war ein junges Pärchen, und der Mann – obschon zuvor nur einmal in den USA – wusste mehr über Amerika als die Frau und die Töchter des Hauses zusammen. Abends rief ich aus Kalifornien zu vorgerückter Stunde an und erkannte am erschöpften Tonfall der Frau, dass sie einen Tag der Kategorie »anstrengend« hinter sich und weitere Tage der Kategorie »anstrengend« vor sich hatte. Der Pärchen-Mann hatte ein Referat gehalten über den Amerikaner an sich und den New Yorker im Besonderen. Er wusste nach zwei Tagen über den Amerikaner an sich zu berichten, dass der unkultiviert und unbelesen sei. Und über den New Yorker an sich, dass er rüde und rücksichtslos sei. Was Frau und Töchter überraschte, weil seine Englisch-Kenntnisse von rudimentärer Kargheit waren. Sie hatten sich in Manhattan verlaufen, aber statt an einer Straßenecke – wie empfohlen – ein ratloses Gesicht zu ziehen und bis zehn zu zählen, machte er ein teutonisch-befugtes Gesicht, was selbst die freundlichsten New Yorker abschreckte. Die Töchter des Hauses nannten ihn hinter seinem Rücken einen »bloody nincompoop«, was so viel wie »ziemlicher Vollidiot« bedeutet. Zum Abschluss schrieb er zackig ins Gästebuch »Noch nie habe ich in einem fremden Haus so gut gegessen, getrunken und geschlafen. Und ich betone: Noch nie!«
    Aber »Bloß nie wieder« war nur einmal.
    Wir können überhaupt von Glück reden, dass unsere Verwandtschaft auch unter dem Rubrum »liebe Freunde« laufen könnte, selbst wenn die Schwester des Mannes während ihres zweiwöchigen Urlaubs bei uns unentwegt mahnte: »Hör endlich auf zu rauchen, und außerdem solltest du mal eine Darmspiegelung machen lassen«. Sie sprach in den zwei Wochen verhältnismäßig oft und überaus kenntnis- und detailreich von dieser offenbar unabdingbaren medizinischen Prozedur, aber glücklicherweise immer erst nach dem Essen. Sie ist eine liebe Schwester.
    Prinzipiell ist lieber Besuch aus Deutschland immer oder wenigstens meistens willkommen. Zumal die Gäste Dinge ins Land schmuggeln, die es in Amerika nicht gibt. Eine liebe Freundin, Unterkategorie »ganz easy« und im Folgenden B. genannt, besucht uns immer zur Thanksgiving-Zeit und brachte vor Jahren mehrere Dosen Grünkohl und acht Rollen dreilagiges Klopapier mit. Dreilagiges Toilettenpapier, zumal mit Fußball-Motiven bedruckt, ist schon in Deutschland eine Rarität. In Amerika ist dreilagiges Klopapier so selten wie eine unfallfreie Rede von George W. Bush. Und Grünkohl gehört neben deutschem Backwerk, Graubrot insbesondere, zu jenen Delikatessen, die man als Expatriot am dringendsten vermisst, weil amerikanisches Brot in etwa die Konsistenz von amerikanischem Toilettenpapier besitzt.
    Wir waren sehr gerührt. Grünkohl und Klopapier, in dieser Reihenfolge, was für eine Kombination. Die liebe Freundin B. gab auf dem Einreiseformular unter der Rubrik »Adresse in den USA« einmal »The Streck Astoria-Hotel« an, was der zuständige Beamte gar nicht komisch

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