Stars & Stripes und Streifenhörnchen
nicht, ob Joey einer anderen Familie der Müll-Mafia unserer kleinen Stadt angehört, fragten aber unseren lieben Nachbarn David sicherheitshalber, ob er jemals von der örtlichen Abfall-Cosa Nostra gehört habe, und er lachte – »die Finocchios? Stadtbekannt. Weiß jedes Kind.«
David ist ein doller Nachbar, eine Seele von Mensch wie Joey. Er ist aufgeschlossen und liberal. David reist beruflich oft nach Europa und freut sich speziell auf jeden Trip nach Deutschland, weil er auf teutonischen Autobahnen die Sau rauslassen kann oder wenigstens den Tiger aus dem Tank. David ist ein Autofreak, und also drehen sich unsere Konversationen oft um Autos – obwohl ich von Autos so gut wie nichts verstehe – und danach um das Thema Nummer eins in Amerika. Leider nicht Sex, sondern Sprit.
Also der fürs Auto.
Es ist schön, dass Sprit überhaupt Thema wurde in diesem Land, denn Benzin war sonst nie Thema, weil stets da in Hülle und Fülle. Aber dann kamen die Stürme und verwüsteten New Orleans und die Golfküstenregion und dort eben auch die großen Raffinerien. Weshalb die Preise für Öl stiegen und damit auch die für Benzin.
Seitdem ist es Thema in Amerika. Und nach den Stürmen kam Al Gore und erzählte ein paar unbequeme Wahrheiten, und nun ist das Thema nicht nur ein ökonomisches, sondern auch ökologisches. Die Debatten über Öl- und Spritpreise sind seit Gore gesellschaftlich legitimiert. Jetzt klagen die Linken wie die Rechten, die Alten wie die Jungen, die Frauen wie die Männer, weil eine Gallone Treibstoff mehr als vier Dollar kostet. Eine Gallone entspricht knapp vier Litern, und Deutsche würden bei diesen Preisen in die Luft gehen vor Freude. Amerikaner gehen in die Luft vor Wut.
David klagte auch. Er hatte sich einen Wagen der Marke GMC gekauft, ein »Sports Utility Vehicle« oder kurz SUV, und die größten von ihnen erinnern an kleinere Eigenheime in Deutschland. Die hervorstechendste Eigenschaft der rollenden Eigenheime ist, dass sie Benzin nicht verbrauchen, sondern vernichten. An einem Samstagmorgen, während unserer wöchentlichen Konversation über Autos, wollte David wissen, wie uns dieses Gefährt gefalle, und da Europäer von Haus aus nicht ganz so freundlich sind wie Amerikaner, platzte die Frau des Hauses mit der Wahrheit heraus: »Es sieht aus wie ein Panzer, es gehört in den Irak, und es schluckt garantiert so viel Energie, dass wir damit unser Haus im Winter heizen könnten.«
Da schluckte David, und der transatlantische Friede schien kurzzeitig in Gefahr, aber David bheb ruhig und sagte nur: »Hm.« Leiser Zweifel schwang in diesem »Hm«. Zweifel sind hier nämlich auch mächtig in.
Es ist eine kleine Sensation, dass der ansonsten chronisch zweifel-resistente Präsident erstmals öffentlich zweifelte, worauf sich das Klatschblatt »National Enquirer« zu Recht sorgte, ob Bush wieder saufe. »Wir sollten«, sagte der oberste aller Amerikaner, »wir sollten alle darüber nachdenken, Benzin zu sparen.« Er regte sogar Fahrgemeinschaften an und erzählte seinem Volk, man solle nur dann Auto fahren, wenn's auch nötig ist. Dies war – obschon auf immer noch bescheidenem Niveau – Bushs beste Rede seiner Amtszeit.
Der letzte Präsident, der Ähnliches vorgeschlagen hatte, war Jimmy Carter. Das war vor fast 30 Jahren während der Ölkrise, und Carter trug bei seiner Rede an die Nation eine graue Strickjacke, die seinen Gemütszustand widerspiegelte. Die Rede kam gar nicht gut an, die Strickjacke wurde Legende. Ein paar Monate später pflanzte Carter wieder Erdnüsse in Georgia.
Vielleicht brauchte es die Stürme und Al Gore, um einen Klimawandel herbeizuführen. Und um beispielsweise zu kapieren, dass kleine Autos selbst in Amerika oho sein können. Und zwar sehr oho, wie der Mann erfuhr. An einem Sommertag bestieg ich einmal den Kleinwagen Smart und begab mich schnurstracks in die Straßenverkehrshölle von New York City. Es war eine gefährliche Mission, weil der Smart, in den USA noch nicht auf dem Markt, gleich an der ersten Ampel auf dem West Side Highway einen Rückstau verursachte: Gaffer. Ein SUV-Fahrer beugte sich aus dem Fenster und rief: »Ist das Ding legal?« Der Smart hätte bequem in seinem Kofferraum parken können.
Am Central Park löste das Gefährt einen weiteren Menschenauflauf aus. Es wurde gestreichelt, begrapscht, fast liebkost. Eine ältere Dame fragte, ob man damit auch auf den Golfplatz dürfe und wo der Elektro-Motor sei. Die Leute, »Gott, ist der
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