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Stars & Stripes und Streifenhörnchen

Titel: Stars & Stripes und Streifenhörnchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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niedlich!!«, steckten ihre Hälse in den Innenraum, und wenn sie erfuhren, dass dies kein Golf-Wägelchen ist, sondern ein Mercedes, der um die fünf Liter auf 100 Kilometer verbraucht, konnten sie's kaum fassen und stammelten nur noch was von »German engineering«. Fotoapparate wurden gezückt. Die New Yorker drehten sprichwörtlich am Rad. Einer bot Geld für eine Probefahrt, und eine Brünette zirpte: »Sei ehrlich, fährst du den, um Weiber abzuschleppen?«
    So was erlebte ich im Smart in New York.
    Was allerdings auch nicht sehr verwundert, weil es dort gerade ungeheuer angesagt ist, grün zu essen, zu trinken, zu denken, zu wohnen, zu tragen. Es ist nämlich auch nicht so, als hätte New York über Nacht oder erst durch Herrn Gore seine ökologische Seite entdeckt. Dies ist die Stadt, die die Freiheitsstatue nächtens mit Kilowatt-Stunden aus Windenergie bestrahlen lässt. Dies ist die Stadt, die der Bürgermeister Michael Bloomberg in die »umweltverträglichste Metropole des 21. Jahrhunderts« verwandeln will. Gelegentlich sind die Amerikaner sogar grüner als die Europäer, vor allem dann, wenn es sich um bräunliche Hinterlassenschaften ihrer Hunde auf Bürgersteigen handelt, die sie mit Handschuhen und Schüppchen sofort auflesen und in einem eigens dafür konzipierten Beutelchen aufbewahren. Und immerhin wird in den Vereinigten Staaten einmal im Jahr die Anti-Tampon-Conference abgehalten, auch bekannt als »Let Blood Flow Fest«. Das ist eine Zusammenkunft gleichermaßen feministischer wie öko-bewusster Damen, die sich gegen den Gebrauch der Tampons sträuben, um den Regenwald zu schonen. Selbst die Air Force hat die Ökologie entdeckt und betankt ihre Jets mit synthetischem Treibstoff, und das wird die Tahban und Al-Quaida gewiss erfreuen.
    All das fraglos Schritte in die richtige Richtung.
    Einmal machte sich unsere Kleinfamilie, inspiriert durch die zunehmend grünen Töchter, auf eine Rundreise durch das neo-grüne New York. Es war wie ein Trip zurück in die 80-er, »Schwerter zu Pflugscharen«. Wir begegneten liebenswerten Utopisten, Aktivisten, Fundis und Realos, die von Europa schwärmten, vom grünen Geist der Alten Welt und ganz speziell von Germany. Die sich neugierig und ein wenig neidisch nach der »Green Party« erkundigten und es überhaupt nicht als lustig empfanden, immerhin von einem Bauern aus Crawford, Texas, regiert zu werden.
    Wir landeten während dieser Zeitreise in Park Slope in Brooklyn, im Food-Coop, einer sozialistischen Enklave mit 12 900 Mitgliedern. Wer sich einschreibt, muss zweidreiviertel Stunden im Monat in diesem selbst verwalteten Supermarkt arbeiten. Im Gegenzug dürfen die Teilzeit-Schichtdienstler zu vernünftigen Preisen erstklassige Biokost einkaufen. Sie haben einen Kindergarten dort und eine Wandtafel mit Ratschlägen, wie man sich bei seinem Kongressabgeordneten postalisch korrekt beschwert, und das fand die ältere Tochter großartig und machte sich eifrig Notizen. Die Birkenstock-Dichte war sehr hoch in diesem Food-Coop. Der Food-Coop hätte auch in Freiburg oder Tübingen sein können. Es gibt eine Art Räterat und einmal im Monat ein großes öffentliches Treffen, die Generalversammlung. Der Sozialismus lebt mitten in Brooklyn. Die Genossen berichten von frühmorgendlichen Debatten beim Kistenstapeln: über C0 2 -Ausstoß, Jürgen Habermas, Fidel Castro und den weiblichen Orgasmus, »was hältst du von der G-Punkt-Debatte?«
    Sie praktizieren dort direkte Demokratie. Was dazu führen kann, dass Coop-Mitglieder am Telefon auch sehr direkt angerüffelt werden, wenn sie ihre Schicht verpassen – »Wendy, das ist jetzt schon das zweite Mal.« Über solche Wiederholungstäter richtet ein Disziplinar-Anhörungskomitee, das chronische Schwänzer angemessen zu sanktionieren hat. Passiert. Aber selten. Denn die Coop-Menschen wissen: Ohne Fleiß kein Fleisch – von garantiert politisch korrekt behandelten und mithin schweineglücklichen Kühen.
    So was kann man in Brooklyn erleben, wohingegen Manhattan auch ein Ort der grün angestrichenen Dekadenz ist. Denn Grün ist in Amerika auch die Farbe des Geldes. Kaufe grün und fühle dich besser. Was unsere Kleinfamilie in SoHo zu spüren bekam, wo grün mehr ist als lediglich die Modefarbe der Saison. Die Sache verhält sich nämlich so: »Die Krise der Umwelt bleibt«, erzählte uns der Modemacher Rogan Gregory, und deshalb sind seine Öko-Kreationen krisensicher. Gregory und sein Geschäftspartner Scott Hahn, beide

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