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Stars & Stripes und Streifenhörnchen

Titel: Stars & Stripes und Streifenhörnchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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Mitte 30, beide mit Hang zu getrimmten Bärten, betreiben von SoHo aus die Öko-Modelinie »Loomstate«, »hundert Prozent organische Baumwolle, geerntet auf hundert Prozent pestizidfreiem Boden«. Sie sind Pioniere in dieser Nische, und ihre Klamotten werden inzwischen oft kopiert oder, wie Rogans erste Natur-Jeans-Kreationen vor sechs Jahren, sogar als Kunstobjekte hinter Glas verpackt. Auf dass sie sich wenigstens dort halten und nicht nach mehrwöchigem Tragen auseinanderfallen. Das geschah zuweilen und wundert Meister Rogan heute noch. Nicht wahr, er verstand seine Baumwoll-Arbeiten nicht als schnöde Hosen, sondern als Kunst. Profanes Tragen der schönen Stücke führte eben zu Zerfall.
    Heutzutage, versichern sie, kann der Kunde die Klamotten ohne akute Auflösungsgefahr tatsächlich anziehen. Geblieben ist die Botschaft, etwa auf den Hosenschlitzen: »Nature calls« steht da. Was, in den Worten Scott Hahns, gleich dreierlei bedeuten kann: »Erstens – du musst pinkeln. Zweitens – du hilfst der Umwelt. Oder drittens – Sex.« Jedem das Seine. Hahn nannte das wahlweise »psychedelischen Ansatz« oder »Straßenkultur«.
    Wir verließen das Studio der psychedelischen Modeschaffenden, die jüngere Tochter fragte, ob die beiden »leicht bekloppt seien«, und die Frau sprach »nun ja«. Die Ältere kaufte ein organisches T-Shirt mit einem vogelähnlichen Tier vorne drauf. Und schließlich, am Ende dieser Zeitreise, traf der Mann Al Gore. Die Töchter waren ziemlich aufgeregt, »weißt du eigentlich, wie berühmt der ist?«. Die jüngere regte an, ich solle zu diesem Anlass die lila Latzhose von damals tragen, aber die Frau sagte, dass sie die legendäre Hose für Kosovo-Flüchtlinge gespendet hatte. Die ältere trug zur Feier des Tages und aus Solidarität mit der Sache ihr T-Shirt »Rettet die Bäume. Putzt Eure Hintern mit Eulen ab«. Al Gore hatte gerade sein Buch und den Film »Unbequeme Wahrheiten« herausgebracht. Er saß in einem Hotelzimmer in Manhattan und erzählte, dass – falls der Mensch so weitermache – dieses Hotel in 50 Jahren unter Wasser stünde. Er erzählte, dass auch Florida untergehen würde, und von Untergängen in Florida versteht Al Gore ja was. Er erzählte lauter schreckliche Dinge; er erzählte, was er in seinem Buch und seinem Film schon erzählt hatte. Und irgendwann sagte er: »Aber wem erzähle ich das? Ihr habt ja in Deutschland die Grünen.«
    Eben.
    Ich war kurzzeitig versucht, Al Gore von unserem Basis-Problem daheim zu berichten. Von der gescheiterten Mülltrennung, von der Abfall-Mafia der Brüder Finocchio, und am liebsten hätte ich ihn nach meinem Plastiktüten-Problem befragt. Aber Al Gore war in Eile. Er stieg in eine Limousine, eilte zum Flughafen und flog ans andere Ende des Landes. Dort erzählte er Menschen, die in SUVs zu seiner Lesung fuhren, lauter unbequeme Wahrheiten. Die Menschen kauften sein Buch, verstauten es in Plastiktüten und fuhren glücklich heim.





Über sieben Brücken musst du gehen
Krankheiten und Arztbesuche
    Wir hatten im kleinen Familienkreis beschlossen, nicht krank zu werden in Amerika. Vor allem aus Kostengründen, aber auch grundsätzlich. Krankheiten machen schon in Deutschland keinen Spaß, aber in Amerika erst recht nicht. Außerdem hatten wir uns alle in Deutschland noch mal durchchecken lassen, dental, mental, hausärztlich und sogar hautärztlich. Dem Mann wurde bei dieser Gelegenheit am Kinn eine Talgdrüse entfernt, die, wie man lernte, im Fachjargon als »Grützbeutel« bezeichnet wird, was die Töchter schon damals urkomisch fanden. Die Grützbeutel-entfernende Ärztin sagte: »Damit müssten Sie jetzt Ruhe haben«, und das klang gut.
    Es war mithin eine prima Idee, nicht krank zu werden in Amerika, wir gaben uns alle Mühe, und dann das: Jeden Abend um kurz vor sieben werde ich krank. Zumindest fühle ich mich krank und ganz und gar unwohl. Im Fernsehen laufen um diese Zeit auf den wichtigsten Kanälen die Abendnachrichten. Schon die Nachrichten können krank machen in Amerika wegen Bush und Cheney und der allgemeinen Qualität der Nachrichten. Aber wenn sie mit Bush und Cheney durch sind, berichten sie um kurz vor sieben von den neuesten Krankheiten und den Pillen dagegen. Überall, auf allen Kanälen, sitzen Weißkittel und erzählen von Gonorrhö, Gicht, Pusteln und neuartigen Bakterien, die erstaunlicherweise immer in Amerika entdeckt werden. Nun neige ich leider zu leichter Hypochondrie, und immer dann, wenn sie im

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