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Starters

Starters

Titel: Starters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lissa Price
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in die große Turnhalle. Ein Ender verpasste mir ein Stück Papier mit einer Nummer. An einer Längsseite waren die Mädchen mit Blick auf die Mitte des Saals aufgereiht, an der anderen die Jungs. Ich musterte im Vorbeigehen die Gesichter. Das hier war meine Chance, Tyler ausfindig zu machen. Die Kids starrten mein zerschlagenes Gesicht erschrocken an. Dann stellte mich Mrs. Beatty ans Ende der ersten Reihe.
    Ich konnte Tyler nirgends entdecken, aber viele der Jungs waren durch andere verdeckt. Der Old Man hatte die Arme auf dem Rücken verschränkt und wanderte gerade an der letzten Reihe entlang. Die Luft knisterte vor Spannung. Ich nahm an, das käme von der Erregung der Kinder, die alle glaubten, der Besucher wolle sie von ihrem Waisenhausdasein erlösen. Aber ich täuschte mich. Das elektrische Knistern ging vom Old Man selbst aus und umgab ihn wie eine Aura.
    Er trug wieder seinen Mantel und Hut. Alles, was ich erkennen konnte, war sein Rücken, und natürlich fragte ich mich, wie der Alte aussehen mochte. In diesem Augenblick drehte er sich um und kam auf die Seite der Mädchen zu.
    Und zum ersten Mal konnte ich einen Blick auf sein Gesicht werfen.
    Auf sein verhülltes Gesicht. Er trug eine Maske aus einem eigentümlichen metallischen Material, das sich wie eine zweite Haut an seine Züge schmiegte. Die Maske verbarg nicht nur seine Identität, sondern diente als eine Art Schirm oder Monitor, über den Bilder – andere Gesichter – huschten. Hatte er eben noch einem Popstar um die Jahrhundertwende geähnelt, nahm er im nächsten Moment das Aussehen eines Dichters an, der Jahrzehnte zuvor Berühmtheit erlangt hatte, oder auch irgendeines völlig Unbekannten. Da die Porträts dreidimensional waren, wirkten sie unheimlich, nicht so albern wie eine flache Karnevalsmaske, aber auch nicht so lebensecht wie ein richtiges Gesicht. Es war irgendetwas dazwischen, künstlich, aber faszinierend. Und da die Bilder ständig wechselten und sich verschoben, entstand der Eindruck von etwas Organischem, auf gruselige Weise. Es war die gleiche Technik, die er für seine Mitteilung im Fernsehen verwendet hatte, aber es war etwas anderes, ihm in Wirklichkeit gegenüberzustehen.
    Ich war gebannt, auf eine ganz und gar unangenehme Weise, so wie man einen Autounfall mitverfolgt, obwohl man sich eigentlich abwenden möchte.
    Mit einigen der Kids befasste er sich ausführlich, andere dagegen sortierte er sofort aus. Eine Ender mit einem Notepad folgte dem Old Man und gab die Nummern der Kandidatinnen ein, für die er Interesse zeigte. Als er meine Reihe entlang schritt, hörte ich seine Fragen nach den besonderen Fähigkeiten der Mädchen. Seine Begleiterin tippte eifrig mit.
    Je näher er kam, desto stärker wurde die hypnotische Wirkung der stetig wechselnden Gesichter. Er sprach mit dem Mädchen neben mir, aber ich konnte mich nicht auf seine Worte konzentrieren. Die Stimme war so elektronisch verzerrt wie bei seiner Mitteilung auf dem Privatsender. Ich vermutete, dass ein unter seinem Wollschal verborgenes Gerät diese metallischen Klänge hervorrief.
    Ich war an der Reihe.
    Er starrte mich an. Hatte er mich in den Räumen von Prime gesehen? Nein. Nur mein Spiegelbild. Und nun, mit meinem geschwollenen Gesicht, würde ich mich nicht einmal selbst wiedererkennen.
    »Was ist dir passiert?«, fragte er.
    Ich senkte den Kopf. »Ein Streit.«
    »Und wie sieht deine Gegnerin aus?«
    »Sie hat keinen Kratzer abbekommen. Kämpfen ist wohl nicht meine Stärke.«
    Er nahm die Züge eines früheren Stummfilmstars an und grinste hämisch. »Das bezweifle ich.«
    Er ging weiter. Ich atmete aus. Er hatte die ganze Zeit über geplant, hier nach neuen Kindern zu suchen, schärfte ich mir ein. Er war nicht meinetwegen gekommen.
    Nachdem er alle Kids überprüft hatte, verließ er mit seiner Assistentin den Saal. Wir erhielten den Befehl, an unseren Plätzen zu bleiben. Die Assistentin kehrte mit einer Liste zurück und flüsterte dem Direktor des Waisenhauses etwas zu. Er nickte ihr zu, und sie las die Nummern laut von ihrer Liste ab.
    Sobald eine Nummer aufgerufen wurde, jubelten die Auserwählten, als hätten sie einen Wettbewerb gewonnen. Einige brachen sogar in Freudentränen aus. Ich reckte den Hals, um den jeweiligen »Sieger« in Augenschein zu nehmen und mich zu vergewissern, dass es nicht etwa Tyler war. Aber wie es schien, hatten sie keines der jüngeren Kinder genommen. Schließlich wurde die letzte Nummer verlesen. Niemand rührte

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