Starters
um. Wenn die Gossenmädels das hörten, hatten sie einen Grund mehr, sich über mich lustig zu machen. »Ich glaube nicht, dass er ein Bild von mir hat«, sagte ich leise.
»Nicht mal auf seinem Handy?«
Ich horchte überrascht auf. Sie hatte recht. Er hatte ein Foto von uns gemacht, während des Ausritts auf der Ranch.
»Doch, das schon.« Ich lächelte.
»Na also.« Sie streckte den Arm aus und stupste meine Nase an. Dann erschien ein sehnsüchtiger Ausdruck in ihren Augen. »Wie sehe ich aus?«
»Warum?«
»Ach, nur so.«
Ich schüttelte den Kopf. »Sara, hat das etwas mit der Geschichte zu tun, die du mir letztes Mal erzählt hast? Dass ein Mann herkommen und einige von euch für ein Sonderprogramm auswählen will?«
»Vielleicht.«
»Ist dir der Name Prime Destinations ein Begriff?«
»Ich verrate nichts.« Aber sie lächelte.
»Sara …«
»Ich hoffe so sehr, dass sie mich nehmen«, wisperte sie.
Das Schlucken fiel mir schwer. »Wann kommt er?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Bald. Stimmt es, dass noch nie jemand sein Gesicht gesehen hat?«
Ich nickte.
»Und wie wird er dann bei uns erscheinen? Mit einer Einkaufstüte über dem Kopf?«
»Mit einer Maske vielleicht.«
»Wie an Halloween?«
Ich nahm sie sanft an den Schultern. »Wo kann man sich hier am besten verstecken?«
»Hier im Waisenhaus? Das ist ganz einfach. In der Waschküche. Die liegt in einem komischen Winkel des Kellers, noch hinter dem Notausgang. Ich habe mich da mal verkrochen, als ich zum Bachsäubern eingeteilt war.«
»Und wenn ich dir nun sage, dass ich Prime Destinations kenne, dass ich dort war und dass man sich vor dieser Firma gewaltig in Acht nehmen muss? Du könntest deinen Körper für immer verlieren.«
Sie kniff die Augen zusammen, als bekäme sie von meinen Worten Kopfschmerzen. »Was soll das denn heißen?«
»Vertrau mir ganz einfach. Du musst dich verstecken, wenn sie kommen, um die Mädchen auszuwählen.«
»Verstecken? Warum? Es ist meine große Chance, endlich von hier zu verschwinden.«
Ich wollte ihr gerade von meiner Gehirnoperation erzählen, als eine Glocke schrillte. Mrs. Beatty stand im Hofeingang und durchlöcherte mich mit ihren Blicken.
»Bitte! Denk an meine Worte! Ich muss weg.«
»Jetzt schon?«
»Mir gestehen sie nur zwanzig Minuten zu. Vergiss nicht, ich bin das böse Mädchen aus dem Knast.«
»Warte!« Sie griff in ihre Tasche und zog ein Papiertaschentuch heraus, in das sie eine dunkle Masse eingewickelt hatte.
»Was ist das?«
»Der Rest der Supertruffle, die du mir geschenkt hast.« Lächelnd schob sie mir den Klumpen zu.
Unsere Begegnung lag Tage zurück. Die Supertruffle war ausgetrocknet und steinhart. Sie musste sie wie einen Schatz aufbewahrt haben, um sie in winzigen Stücken zu verzehren. Und nun gab sie mir, was davon noch übrig war.
»Los doch, sei nicht schüchtern«, sagte sie.
»Willst du sie nicht …?«
»Nein, du kannst sie haben.«
Ich biss hinein und hoffte, dass ich mir keinen Zahn abbrach. »Knusprig.«
Sie strahlte. Dann schlang sie ihre Arme um meinen Hals und drückte mich ganz fest.
»Ich freue mich so, dass du hier bist. Findest du es sehr egoistisch, wenn ich das sage?« Sie blickte mich unsicher an. »Aber ich freue mich wirklich. Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen. Und nun bist du hier. Meine Freundin.«
Ich lächelte, so gut ich konnte, mit meinem Mund voller trockener Krümel.
Sara war der einzige Lichtblick in meinem Gefängnisleben. Den Rest empfand ich als eine Qual. Ich lag auf dem kalten Boden, dachte an Tyler und zermarterte mir den Kopf, wo er sein könnte und wie es ihm wohl ging. Ich konnte es verkraften, dass ich keine Decke hatte und kaum etwas zu essen bekam, er vermutlich nicht. War er in einem ähnlichen Waisenhaus eingesperrt wie ich? Oder befand er sich in den Händen des Old Man?
Ich dachte auch an Blake und die Zeit, die wir gemeinsam verbracht hatten, und ich fragte mich, ob er mir je verzeihen konnte. Aber man hatte der Prinzessin ihre schönen Kleider und ihre goldene Kutsche genommen und sie in den Kerker geworfen, wo sie schmachten musste bis an ihr Lebensende. Das Märchen war vorbei. Kein Prinz der Welt würde eine Prinzessin retten, die versucht hatte, seinen Großvater zu töten.
Ich zählte die Stunden bis zum Hofgang. Als mich ein Wachtposten nach draußen führte, sah ich mir genau an, wie sein Zip-Taser im Halfter steckte, und überlegte, ob ich ihm die Waffe entreißen könnte. Aber selbst mit
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