Startschuss
nichts draus«, tröstete er. »Die Weite hat gestimmt. Du bist wieder da! Jetzt nur noch konzentrieren, dann hast
du’s!«
Michael nickte. Er war einfach nur zu nervös gewesen. Beim nächsten Sprung würde er sich an die Spitze setzen. Ganz bestimmt.
Endlich ein Sieg
Michael hatte sich seinen Trainingsanzug übergezogen, um nicht zu sehr auszukühlen und einer drohenden Muskelverhärtung vorzubeugen.
Er holte eine Flasche Wasser aus seiner Tasche und wollte sie gerade öffnen, als er stutzte. Er hatte die Flasche vor seinem
Sprung schon geöffnet und daraus getrunken. Jetzt traute er sich nicht mehr.
Lennart begriff. »Warte«, bot er sich an. »Ich habe noch eine original verschlossene Flasche. Mit der kann nichts sein.« Er
lief los, holte seinen Rucksack und reichte Michael die Flasche.
»Danke«, sagte Michael und trank endlich.
»Mensch Leute, das ist doch verrückt«, bemerkte Ilka. »Jetzt wagen wir es schon auf unserem eigenen Sportfest nicht mehr,
Wasser zu trinken.«
»Stimmt«, bestätigte Lennart. »So geht es nicht weiter. Wir müssen . . .« Er brach ab und drehte sich suchend um. »Wo sind
denn Jabali und Linh?«
Jabali war schon gegangen, weil er sich auf seinen150 0-Meter -Lauf vorbereiten musste, der noch an diesem Tag stattfand.
Linh aber stand noch immer neben dem Absprungbrett und träumte. Es sah jedenfalls so aus, als ob sie mit offenen Augen träumte.
Ihr Blick ging starr geradeaus.
»Was ist mit ihr?«, fragte Lennart. Ilka und Michael wussten es nicht. Um es herauszufinden, gingen die drei auf sie zu und
fragten nach.
Ohne sie anzusehen, antwortete Linh: »Ich denke nach.«
»Aha«, sagte Michael. »Und worüber?«
»Über zwei Fragen«, setzt Linh fort. »Die erste Frage lautet: Wie schafft es jemand, an einem einzigen Tag unbemerkt eine
Flasche Apfelschorle zu manipulieren, einen Schwimmanzug und zehn Paar Schuhe zu stehlen und dann noch das Absprungbrett einzuseifen?«
»Ganz einfach«, entgegnete Michael. »Die Grünheimer sind viele. Die haben sich aufgeteilt. Jeder von ihnen macht nur eine
Sauerei. In der Summe kommt da aber viel zusammen.«
»Und stehlen ihre eigenen Schuhe?«, hakte Linh nach.
»Klar«, fand Michael. »Um uns den Diebstahl indie Schuhe zu schieben! Damit wir – die härtesten Gegner der Grünheimer – disqualifiziert werden.«
»Angenommen, es waren nicht die Grünheimer«, warf Linh ein.
»Nicht?«, wunderte sich Michael. »Wer denn sonst?«
Linh nickte. »Genau das will ich ja herausbekommen.« Mit einer ausholenden Bewegung zeigte sie auf die 8000 Zuschauer. »Wenn es einer von ihnen wäre, würde man ihn doch bemerken. Ein normaler Zuschauer kommt nicht bis hierher zur
Sprunggrube. Es ist abgesperrt.«
»Eben.« Michael sah das nur als Bestätigung. »Die Grünheimer können aber überall hin.«
»Die Kampfrichter auch«, betonte Linh. »Und alle Helfer. Es muss jemand sein, der die Ablaufpläne kennt.«
»Ablaufpläne?«, mischte sich jetzt Ilka ein. »Die hat doch jeder Teilnehmer bekommen!«
»Nur die Wettkampfzeiten«, entgegnete Linh. »Aber nicht die Dienstzeiten der Helfer. Um überall ungesehen aufzutauchen, muss
der Täter die Pläne kennen.«
»Wow!« Lennart musste erst einmal Luft holen. »Das, was Linh da behauptete, das hieße ja . . .«
»Der Täter ist im Helferkreis zu suchen. Genau!«, bestätigte Linh seinen Verdacht.
Das Gespräch zwischen den vieren wurde durch ein kräftiges Händeklatschen unterbrochen.
Frau Kick kam herangerauscht. »Was ist denn mit euch los?«, fragte sie. »Michael, willst du nicht mehr springen?«
»Ich? Doch? Wieso?«, stotterte Michael. Siedend heiß fiel es ihm ein. Sein zweiter Versuch! Verflixt. Durch die ganze Aufregung
und diesen dämlichen Attentäter hatte er glatt seinen zweiten Versuch vergessen. Das war ihm noch nie passiert.
»Ich komme!«, rief er hastig.
»Das wird auch Zeit. Du wurdest schon zwei Mal vergeblich aufgerufen. Jetzt hast du noch 20 Sekunden, bis du startest.«
»Verdammt!«, fluchte Michael, riss sich seinen Trainingsanzug vom Leib, warf ihn achtlos irgendwo in die Gegend, spurtete
zu seiner Absprungmarke und von dort, ohne anzuhalten, gleich weiter zum Anlauf für den Weitsprung.
»Viel zu überhastet«, kommentierte Linh. »Das wird doch nichts!«
In der Tat wurde es nichts. Michael musste mehr als einmal tippeln, traf zwar diesmal das Absprungbrettrichtig, war mit seinem Anlauf aber überhaupt nicht richtig auf Tempo
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