StasiPolka (German Edition)
er?“
„Keine Ahnung. Da sind nicht mehr viele Menschen übrig, an die er sich halten kann. Am besten fragst du ihn selbst.“
Sergei spürte wahrscheinlich, dass Vincent etwas zurück hielt, ließ es aber d abei. „Komm nach Hause Vincent, hör auf mit dem Samuraikram. Wenn du drüben weiter im Unrat stochern möchtest, kann Baranowski das für dich erledigen. Wir haben genug Leute an der Westküste.“
„Das hört sich vernünftig an“, sagte Vincent.
Sergei hatte natürlich Recht. Als Einzelkämpfer würde Vincent in Florida nicht viel ausrichten. Und mit Hilfe der hiesigen Russen einen Krieg gegen Unbekannt anz uzetteln, war vollendeter Blödsinn. Andererseits war es Peters gewesen, der ihn damals zu OVID gebracht hatte. Was wusste zum Beispiel die Grell über diesen Anwalt und seine Verbindungen? Vincent griff wieder zum Handy. In Washington stellte man ihn ohne weiteres durch.
„Vincent, was für eine Überraschung.“ Patricia. Entspannt, wie immer.
„Hoffentlich störe ich nicht beim Frühstück?“
„Ach wo. A lte Frauen sind Frühaufsteher. Wo stecken Sie?“
„Ich war für ein paar Tage in Florida, bin jetzt auf dem Heimweg. Wenn Sie heute eine Stunde Zeit haben, würde ich Ihnen gern die Hand drücken, bevor ich abfli ege. Die beiden letzten Wochen habe ich eine Auszeit genommen, vielleicht sollten Sie wissen, warum.“
„So förmlich, Vincent? Gibt es Schwierigkeiten?“
„Das nicht gerade. Wenn Sie keine Zeit haben, kann ich ja ein paar Worte mit Tunsky wechseln.“ Freiwillig nie im Leben, das wusste sie natürlich.
„Der ist unterwegs. Mal sehen“, jetzt war sie neugierig, „ich bin diesen Nachmi ttag und auch den Abend über in Baltimore. Wenn Sie es rechtzeitig ins Plaza schaffen, treffen wir uns um fünf. Später bin ich belegt. Was halten Sie davon?“
„Ich werde dort sein.“
Sie sonderte noch einige Unverbindlichkeiten ab, schien sich aber zu freuen.
Von Miami aus gab es an diesem Vormittag keine Direktflüge, also buchte Vincent mit Zwischenstopp in Charlotte. Auf jeden Fall würde er um halb vier in Baltimore sein.
„Wer von euch ist Dimitri?“, fragte Vincent, als er sich verabschiedete.
„Hat Sergei wieder den Mund nicht halten können?“ Big Lenin verzog sein Gesicht und zeigte auf seinen Begleiter. „Das ist Konstantin.“
„Ich bin in eurer Schuld. Danke.“
Jetzt wurden sie fast verlegen. „Wenn Sie mal jemanden hier brauchen, einfach anrufen. Die Nummer haben Sie ja.“
„Das mache ich bestimmt. Hab schon eine Idee.“
Sie umarmten ihn, dann zogen sie ab.
Es war halb fünf, als das Taxi vor dem roten Backsteinklotz des Plaza stoppte. In der Lobby stand eine Hundertschaft Frauen in Grüppchen beieinander, trank Kaffee und tratschte gut gelaunt. Sie trugen kleine Plastikschildchen an der Brust; irgendeine Tagung. Vincent sah sich die Aufmachung der Frauen genauer an und tippte auf Wohltätigkeit. Wahrscheinlich spielte Patricia Grell bei dieser Sause eine tragende Rolle. Er drängte sich durch zum Empfangspult.
„Kann ich Ihnen weiter helfen?“ Eine faltenfrei gebügelte Schwarzhaarige mit leblosem Lächeln.
„Patricia Grell. Ich bin um fünf mit ihr verabredet.“
„Ihr Name?“ Wie schaffte sie es nur, dieses Dauergrinsen in ihrem Gesicht zu fixieren? Oder hatte er ohne es zu wollen einen Witz gemacht?
Bevor er antworten konnte, hörte er hinter sich die vertraute Stimme. „Vincent, kommen Sie.“ Dem Mädchen am Pult gelang es, sein Lächeln noch um einen Hauch verzückter Unterwürfigkeit anzureichern. Vincent drehte sich um.
Patricia Grell sah blendend aus. Ein graues Wollkleid, darüber ein kragenloses Jäckchen aus dem gleichen Stoff, dunkle Schuhe. Ihre Perlenkette war ihm bereits ve rtraut, die dazu passenden Ohrclips kannte er noch nicht. Mit dem Gegenwert des Krams, den sie am Leibe trug, ließ sich wahrscheinlich die heutige Tagung locker finanzieren.
Sie gab ihm die Hand, tat besorgt. „Wann haben Sie das letzte Mal richtig g egessen, Vincent? Jemand sollte sie hochpäppeln.“
Er hielt ihre Hand länger fest, als nötig. „Wissen Sie, dass heute für mich eine Premiere ist? Ich habe Sie noch nie mit offenem Haar gesehen.“
Das gefiel ihr. „Meinen Sie, es steht mir?“
„Sie werden die Zahl Ihrer Leibwächter verdoppeln müssen.“
Jetzt lachte sie. „Gehen wir nach oben.“
Sie ging vor ihm her durch die Menge. Die Frauen unterbrachen ihre Unterha ltung und starrten ihn an. Vage kamen ihm Bilder
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