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StasiPolka (German Edition)

StasiPolka (German Edition)

Titel: StasiPolka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Pesch
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Fabrikgelände, groß wie zwanzig Fußballfelder; schon seit Jahren ungenutzt und dem Verfall überlassen.
    Graham schaute über das verlotterte Durcheinander aus Kränen, Fabrikhallen, Lagerschuppen und Wirtschaftsgebäuden. „Was für ein Wahnsinn, dieses Monstrum d irekt ans Meer zu bauen?“
    „Die Kommunisten vergötterten die Schwerindustrie. Solche Ruinen findest du überall im Ostblock.“
    „Ich weiß. Aber was wird jetzt aus dem Ding?“
    „Rechts und links gibt es beste Badestrände. Der Platz würde von Investoren mit Kusshand gekauft, aber jeder scheu t die Abrisskosten. Schau dir das Hallendach an, die riesigen Rohre überall, hier sieht es aus wie in Cape Canaveral.“
    „Man müsste Geld einsammeln, eine Beteiligungsgesellschaft gründen“, für e inen Augenblick vergaß Graham alles, entwarf in Gedanken das Abschreibungsmodell für die Geldgeber, „das bisschen Schrott hier findet allemal einen Käufer.“
    „Du kannst ja was anleiern, wenn du heute davonkommst.“
    Das holte ihn in die Gegenwart zurück. Er schob das Kinn vor und befingerte seine Hosentasche. „Ich werde wohl nichts mehr anleiern. Aber seit ich mit der Welt abgeschlossen habe, ist mein Kopf mit einem Schlag frei.“
    „Darf ich mir diesen Satz aufschreiben, sozusagen für die Nachwelt?“ Der Mann nervte schlimmer, als ein nölendes Kleinkind, schwankte seit Stunden unablässig zw ischen Anmaßung und Weinerlichkeit.
    „Tut mir leid, wenn ich dir auf den Wecker falle.“ Er presste die Lippen zusa mmen. Vincent gab ihm einen Klaps auf den Arm. Wer wäre an Grahams Stelle nicht neben der Rolle.
    Unten trat ein Mann im hellen Overall aus dem Schatten einer Wand; leicht hi nkend überquerte er das verlassene Gelände und blieb vor der rostigen Fabrikhalle stehen. Er sah sich um, verschwand im Dunkel der Halle und schob kurz darauf ein altes Damenfahrrad ins Freie. Auf dem Gepäckträger klemmten ein fleckiger Farbeimer und verschmierte Pinsel. Er stieß sich unbeholfen ab, umrundete mit wackligem Tritt eine Betonzisterne und radelte davon. Graham sah Vincent fragend an.
    „War sicher ein Arbeiter“, sagte Vincent.
    „Was sucht der hier?“
    „Keine Ahnung. Aber das war keiner von Tunskys Leuten. Die sind nicht cool genug, uns eine solche Posse vorzuspielen.“
    Graham zuckte die Schultern. Sie schwiegen und warteten. Eine halbe Stunde später rauschte aus Südwesten ein Ausflugsboot heran und hielt in flotter Fahrt auf sie zu. Einer der unechten Fischkutter, die während der Urlaubssaison zu Hunderten vor der Küste schippern. Auf alt getrimmte Holzdecks, Pseudotakelagen und massenweise Tische für Touristen. Bis auf zwei Köpfe im Steuerhaus war niemand zu sehen. Weder qualmte der Deckgrill, noch dröhnte Folkloreschund aus den Lautsprechern. Am vorderen Mast wehte der Wimpel einer Reisegesellschaft, am Bug in großen Lettern der Name Ivona. Keine schlechte Tarnung, wenn Tunsky tatsächlich von diesem Ding aus operierte.
    Fünf Meter vor der Kaimauer stoppte das Boot auf, zog einen eleganten Bogen und legte sich erst mit dem Bug, dann mit dem Heck sanft an die Fender aus alten Aut oreifen. Ein Mann kam aus dem Steuerhaus, warf die Bugleine über einen der Poller am Kai, zog sie straff und blieb wartend stehen. Der Motor tuckerte weiter, kein zweiter Festmacher am Heck, es sah aus, als warteten alle auf einen verspäteten Fahrgast. Minuten vergingen, Vincent rührte sich nicht. Dann vibrierte sein Handy.
    „Wie jetzt weiter?“ Tunskys Fistelstimme.
    „Wo sind die Mädchen?“
    „Wo schon? Soll ich Ihnen eine zeigen?“
    „Besser beide.“
    Sie schoben Rea und Jelena aus der Luke eines Verschlags im Vorderdeck; übl icherweise lagerten dort Wein und Schnaps für die Ausflügler. Die Mädchen bewegten sich mit dem Rücken zueinander nach vorn; die Hände mit einer Bootsleine zusammen gebunden, deren Ende ins Luk führte. Beide sahen zerzaust aus, blinzelten ein wenig, als hätten sie bisher Augenbinden getragen, hielten sich aber gerade. Sie kamen etwa drei Meter weit, dann zog jemand die Bootsleine straff.
    „Reicht das?“
    „Was soll das Theater mit den Fesseln? Schneiden Sie die Mädchen los, dann kommen wir schneller klar. Mein Gast wird bereits ungeduldig.“ Graham drehte sich kurz zu Vincent herum, rote Flecken im Gesicht, der Blick starr. Vincent spürte wieder den Druck im Magen, zeigte Graham aber den hoch gestreckten Daumen.
    „Ich lasse die doch nicht weglaufen“, sagte Tunsky.
    „Eugene, wohin

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