StasiPolka (German Edition)
dass die beiden Frauen das neue Berlin kaum kannten, also fuhren sie nach dem Kaffee in die Stadt und gingen vom Brandenburger Tor aus zu Fuß in Richtung Alex. In der Friedrichstrasse kaufte Rea einen dunklen Hosenanzug, den sie bei der Trauerfeier tr agen wollte. Später steuerten sie ein Cafe am Müggelsee an und streckten die Beine aus. Ihre Schatten bezogen in der Nähe unauffällig Stellung.
„Ich glaube, es ist an der Zeit“, sagte Vincent und holte Katjas Brief heraus. Nur eine Seite.
Hallo, mein Brauner,
wenn Margriet Dir dieses Schreiben aushändigt, bedeutet das, sie haben mich erwischt. Was für eine Ungerechtigkeit. Als ich dich heute nach so langer Zeit wiede rsah, wollte ich dich am liebsten gleich ganz für mich behalten.
Aber das Wichtigste zuerst. Ich habe dich nicht um Hilfe gebeten, weil du ein Freund aus den alten Zeiten bist. Es gibt einen viel tieferen Grund - du bist der Vater meiner Tochter Rea.
Frag mich nicht, warum ich dir nichts gesagt habe. Es hätte nichts an unserer Trennung geändert, ein Familienleben war für uns unmöglich, und ich war glücklich so.
Nimm Rea unter deine Fittiche und beschütze sie, bis sie außer Gefahr ist. Ich bin sicher, du wirst dein e Tochter bald genau so lieben, wie ich sie immer geliebt habe.
Bei der BB in Luxemburg gibt es unter meinem alten Namen ein Schließfach mit Papi eren, die für Dich und Rea bestimmt sind. Benutzt den Abdruck von Reas rechtem Daumen und beim Passwort denke einfach an unseren alten Lieblingsplatz,
Schade, dass wir uns nun nicht mehr sehen können. Ich hätte so gern herausg efunden, was in den kommenden Jahren aus uns beiden geworden wäre.
Bleib so, wie du bist.
Katja
Vincent gab den Bri ef an Rea weiter. Natürlich weinte sie wieder. Margriet und er ließen sie in Ruhe.
Teichmann zog wie erwartet die Mundwinkel nach unten, als sie in Mannschaftsstärke bei ihm anrückten.
„Was sollen diese Leute? Fühlst du dich bei mir nicht sicher?“ Er saß da im Licht einer Schreibtischlampe und trug die gleichen alten Klamotten, wie letzten Mit twoch; das Modell des Dampfmobils auf seinem Arbeitstisch sah ebenfalls unverändert aus.
Vincent ging auf seine Frage nicht ein. „Wie sind die Pläne für morgen?“
Teichmann wiederholte im Prinzip das, was Margriet bereits erzählt hatte. Das geräumige Arbeitszimmer lag in traulichem Halbdunkel. David und John warteten draußen bei den Fahrzeugen. Peter lehnte entspannt an einer Bücherwand im Hintergrund, die Frauen saßen auf dem abgewetzten Ledersofa und schauten sich um. Der Schweigsame stand mit dem Rücken zum Fenster schräg hinter Teichmann und starrte Vincent an. Möglicherweise wollte er einschüchternd wirken.
„Ein Jammer, diese Stromrationierung im Osten“, sagte Vincent, „nicht mal abends kann man richtig Licht machen. Oder liegt es an den Leitungen hier im Haus?“
Teichmann nickte seinem Gorilla zu, der zur Tür ging und das Licht anknipste. Der Raum bekam einen Stich ins Schäbige.
„Eigentlich zieht man zuerst die Vorhänge zu“, sagte Vincent, „oder soll die Kleine auch noch abgeknallt werden?“
Der Schweigsame presste die Lippen zusammen. Vincent wandte sich Teic hmann zu. „Wir können ins Hotel gehen, wenn ihr nicht auf Gäste eingerichtet seid. Sag mir, wie hoch deine Auslagen waren, ich bezahle dich, und dann sind wir weg.“
Jetzt geriet der Alte in Harnisch. „Nicht nötig, dass du die Wut über deine Fehler an mir auslässt. Katjas Tod geht nun mal auf dein Konto.“
„Bis auf die Tatsache, dass dein Freund Hausser einer der Drahtzieher dieser Geldklauerei war. In seinem Haus versteckte er den Sniper, der Katja erschossen hat. Da fragt man sich, ob du jetzt Hausser versteckst?“ Kleiner Versuchsballon.
Teichmann sah zu Rea und Margriet hinüber. „Hausser war nie mein Freund“, sagte er lahm. Vincent sah in seine Augen. Nach einiger Zeit drehte Teichmann den Blick weg.
„Kann ich mal kurz verschwinden?“ Das war Rea.
Teichmann nickte. Der Schweigsame hielt ihr eine Tür auf. Peter löste sich von der Wand und folgte den beiden. Vincent sah, wie der Alte erbost hinter der Prozession her schaute.
„Bisher ist bei mir noch niemand auf der Toilette umgelegt worden.“
„Nehmen wir mal an, das stimmt“, sagte Vincent, „wie sicher ist morgen der Friedhof?“
Teichmann beruhigte sich wieder. „Ziemlich viele Bäume. Das Familiengrab liegt an einem Nebenweg. Ich stelle an allen vier Seiten meine
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