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StasiPolka (German Edition)

StasiPolka (German Edition)

Titel: StasiPolka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Pesch
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Leute auf.“
    „Was ist, wenn sie einen Scharfschützen auf uns ansetzen?“
    „Im Norden gibt es ein paar Hochhäuser, aber von dort ist das Grab nicht zu s ehen. Im Süden die Bahn, rechts und links keine Chance für einen Schützen. Er müsste schon ziemlich nah heran kommen. Aber da stehen meine Männer.“
    „Stasi Rentner?“, fragte Vincent, um Teichmanns Blutdruck im roten Bereich zu halten.
    Der Alte antwortete nicht, sah stattdessen Rea zu, die graziös wie immer auf dem Sofa Platz nahm.
    „Du bist auch kein junger Mann mehr“, sagte er schließlich.

23
     
    Es war in der Tat ein schattiger Ort, den Katjas Familie als letzte Ruhestätte au sgesucht hatte. Am Eingang erläuterte ein handgemaltes Hinweisschild die Eigenheiten des alten Parkfriedhofs. Sie standen in der Einsegnungshalle und hörten dem Pfarrer zu, der hochgradig Abstraktes über das Leben nach dem Tod und die Gnade des Allmächtigen von sich gab. Vincent hatte nie begriffen, warum Kleriker so ungern Klartext reden. Wahrscheinlich klang es für sie zu banal. Schließlich kam der Pfarrer zum Schluss, hob die Hände zum Segen und gab den Trägern ein Zeichen.
    Draußen schaute Vincent sich um. Teichmanns Gorillas, die den Umkreis schützten, waren unübersehbar: zu enge Jacketts, zu straff gezogene Krawatten, ausg emusterte Sumo Ringer kurz vor dem Ersticken. Er fragte sich, ob im Gebüsch noch weitere Männer im Tarnanzug und mit schwarzgrün bemalten Gesichtern auf der Lauer lagen.
    Teichmann trug einen dunklen Anzug, in dem er sicher schon Walter Ulbricht die Hand geschüttelt hatte. Wie bei allen Pensionären, die nur noch in salopper Freizei tkleidung herum lungern, wirkte er unecht in diesem formellen Aufzug; er war, als trüge er ein abgewetztes Kostüm. Nur Vincents dunkel gekleidete Tochter verströmte den Zauber unantastbaren Kummers, der selbst abgebrühte Heckenschützen an ihrer Aufgabe zweifeln lassen musste.
    Sie folgten langsam dem Karren der Sargträger, als sich plötzlich von der Seite her Se rgei, einen Trauerkranz in der Hand, neben Vincent schob. Er wirkte aufgekratzt. Wenn er etwas genommen hatte, war es auf keinen Fall Äther. Er duftete so rein wie ein frisch gewickeltes Baby.
    „Sergei, was suchst du hier?“ Vincent war einigermaßen überrascht. Margriet, die einige Schritte vor ihnen neben Rea schritt, drehte sich kurz um.
    „Hey, Katja war für mich wie eine Freundin, ich habe sie gut gekannt.“ Das traf sicher nur annäherungsweise zu. Sergei musterte Teichmanns Helfer, die ihn nicht aus den Augen ließen. „Die haben mich komplett gefilzt, als ich mit meinem Kranz kam. Was ist das hier, eine Beerdigung oder ein Militärmanöver?“
    „Beides“, sagte Vincent und ging langsamer, „du willst mir doch nicht erzählen, dass du hier bist, um einen Kranz auf Katjas Grab zu legen. Schließlich habt ihr sie u mgebracht.“
    „Das siehst du falsch.“ Sergei überlegte kurz, wie er fortfahren sollte. „Hör mir zu, Vincent, Feodor Baranowski will dringend mit dir sprechen. Ab sofort werden wir dich in Ruhe lassen, wenn du es zulässt beschützen wir dich und die Kleine auch. Ehrenwort. Alles wie du es willst.“ Es klang einigermaßen aufrichtig.
    „ Wieso dieser abrupte Meinungswandel? Ist dein Chef vor dem Stadttor vom Pferd gestürzt und hat einen Ruf vom Himmel gehört?“
    Sergei ging darauf nicht ein. „Die Polizei hat ein zweites Mal Haussers Villa durchsucht. Sie haben seine Leiche gefunden, vergraben in einer Kellerecke. Er ist seit etwa zwei Wochen tot. Man hat ihn gefoltert. Einige Finger fehlen, ein Ellbogen ist total verdreht.“
    Das veränderte die Situation. Vincent konnte sich vorstellen, wie Baranowski an die Decke gegangen war, als ihm klar wurde, dass er nicht mehr das Spieltempo vorgab. Und was würde Teichmann dazu sagen. „Habt ihr eine Idee, wer dahinter stecken könnte“, fragte er.
    „Genau das will Feodor mit dir besprechen.“
    Sie hatten inzwischen den Grabplatz erreicht. Vincent und Sergei schlossen auf und gesellten sich zu den wenigen Personen, die im Halbkreis um die Grube standen. Der Pfarrer sprach noch ein Gebet, dann ließen die Träger den Sarg hinab. Rea und Margriet warfen kleine Blumensträuße hinterher, die anderen traten der Reihe nach vor und streuten etwas Sand auf den Sarg. Unter Teichmanns misstrauischem Blick legte Sergei seinen Kranz ab und zupfte die Schleife zurecht. “In Liebe Deine Freunde“ las Vincent. Blanker Hohn, Heuchelei oder das

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