StatusAngst
Castle.«
Es gebe keinen Grund, seinem Beispiel nicht zu folgen, zumal — so Robbins — »wenn wir in einer demokratischen und kapitalistischen Gesellschaft leben, in der wir alle die Möglichkeit haben, unsere Träume zu verwirklichen«.
10
Anthony Robbins. »Weck den Riesen in dir«. 1991
Der Siegeszug der Massenmedien hat ebenfalls zur Steigerung der Erwartungen beigetragen. Als Alfred Harmsworth 1896 die britische Daily Mail aus der Taufe hob, erklärte er in aller Offenheit, der ideale Leser sei der einfache Mann »mit hundert Pfund Jahreseinkommen«, der sich gern dazu verleiten lasse, »von tausend Pfund pro Jahr zu träumen«. In Amerika indessen führten Magazine wie Ladies' Home Journal (gegründet 1883), Cosmopolitan (1886), Munsey's (1889) und Vogue (1892) einen aufwendigen Lebensstil in die Vorstellungswelt aller Leser ein. In der amerikanischen Vogue der Anfangsjahre erfuhr man zum Beispiel, wer auf Jacob Astors Jacht Nourmahal gefeiert hatte, welche Mode man im Mädcheninternat trug, wer die besten Partys von Newport und Southampton gab und was man zum Kaviar servierte (Kartoffeln und Sauerrahm).
Solche Einblicke ins Leben der Oberschicht versetzten das Publikum in die Illusion, ebenfalls dazuzugehören — ein Effekt, der durch die Entwicklung von Radio, Film und Fernsehen kräftig intensiviert wurde. Bereits in den dreißiger Jahren verbrachte die Gesamtheit der Amerikaner wöchentlich 150 Millionen Stunden im Kino und hörte fast eine Milliarde Stunden Radio. 1946 stand in 0,02 Prozent der amerikanischen Haushalte ein Fernseher, im Jahr 2000 waren es 98 Prozent.
Neue Bedürfnisse weckten diese Medien nicht nur mit ihren Inhalten, sondern auch in ihrer Rolle als Werbeträger. Die Werbebranche, die in den USA um 1830 zu sprießen begann, war um 1900 bereits eine ausgewachsene Industrie mit einem Jahresumsatz von 500 Millionen Dollar. Im selben Jahr wurde am Rand der Niagara-Fälle eine riesige Coca-Cola-Reklame aufgestellt, und über dem Wasserfall selbst prangte alsbald eine Werbung für »Mennens Körperpuder«.
11
Die Apologeten der modernen Gesellschaft haben es nicht sonderlich schwer, Skeptiker zu überzeugen: Sie brauchen lediglich auf den enormen Wohlstand zu verweisen, den diese Gesellschaftsform hervorgebracht hat.
In seiner Untersuchung über das Wesen und die Ursachen des Reichtums der Nationen (1776) verglich Adam Smith die beeindruckende Produktivität der modernen Gesellschaften mit den mageren Ressourcen, die den primitiven Jägern und Sammlern zur Verfügung standen. In alten Zeiten lebten die Menschen seiner Darstellung zufolge im tiefsten Elend. Die Ernteerträge reichten selten aus, es herrschte Mangel an den nötigsten Dingen, und in der größten Not wurden Kinder, Alte und Arme »den wilden Tieren ausgesetzt«. Aber dank einer neuen Produktionsweise, die Smith als »Arbeitsteilung« bezeichnete, konnten die neuzeitlichen Völker für alle Angehörigen sorgen. Höchstens romantische Wirrköpfe konnten sich daher wünschen, in einer anderen Welt als der modernen zu leben: »Selbst der niederste und ärmste Arbeiter kann, wenn er bescheiden und fleißig ist, [in der modernen Welt] einen größeren Teil der Notwendigkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens für sich beanspruchen, als es irgendeinem Wilden vergönnt wäre.«
12
Doch nur einundzwanzig Jahre vor Smith hatte eine schrille, exzentrische und dennoch beunruhigend überzeugende Stimme das genaue Gegenteil verkündet: die Überlegenheit des Wilden. Ist es möglich, fragte Jean-Jacques Rousseau in seiner Abhandlung über den Ursprung und die Gründe der Ungleichheit unter den Menschen (1754), dass es gerade der Wilde und nicht, wie sich jeder angewöhnt habe zu denken, der Arbeitssklave neuer Zeit ist, der das bessere Los gezogen hat?
Rousseaus Frage ist mit seiner These verknüpft, dass Reichtum nicht gleichbedeutend sei mit viel Besitz, vielmehr bestehe er im Besitz dessen, was wir begehrten. Reichtum ist also kein Absolutum, er hängt von unseren Wünsehen ab. Immer wenn wir etwas wollen, was wir nicht bekommen, werden wir ärmer, ganz gleich, welche Mittel uns zu Gebote stehen. Und immer wenn wir mit dem zufrieden sind, was wir haben, können wir uns als reich bezeichnen, ganz gleich, wie groß unser Besitz ist.
Es gebe zwei Möglichkeiten, Menschen reicher zu machen, folgerte Rousseau daraus: ihnen mehr Geld zu geben oder ihre Bedürfnisse einzuschränken. Die modernen
Weitere Kostenlose Bücher