StatusAngst
dennoch aufschlussreich) läutete die Einfriedungsbewegung die Entstehung des modernen Industrieproletariats ein, verstanden als Gruppe von Menschen, deren eigene Ressourcen zum Leben nicht reichen und die sich daher nolens volens einem Arbeitgeber verdingen - zu einem Preis und zu Konditionen, die diesen deutlich begünstigen.
Zu den Nöten des abhängig Beschäftigten gehört nicht nur die Unsicherheit über die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, hinzu kommen häufig erniedrigende Arbeitsbedingungen. Da die meisten Firmenhierarchien eine Pyramide bilden - von der breiten Basis der Beschäftigten bis hinauf zur schmalen Geschäftsführungsspitze-, wird häufig die bange Frage, wer eventuell aufrückt und wer zurückbleibt, zur drückendsten Frage überhaupt, und wie alle Ängste nährt auch diese sich von der Ungewissheit. Da man Verdienste kaum objektivieren kann, sind Auf- oder Abstieg oft nur sehr mittelbar durch tatsächliche Leistungen bedingt. Die erfolgreichsten Aufsteiger sind nicht unbedingt die besten ihres Faches, sondern die, die strategische Kompetenz erworben haben, wie man sie nicht unbedingt in der Schule lernt.
Äußerlich betrachtet mögen absolutistische Höfe ganz anders geartet gewesen sein als ein modernes Unternehmen. Dennoch stammen die klügsten Empfehlungen, wie man in einer Firma überlebt, von einigen hellsichtigen Aristokraten, die ihre Erfahrungen an den französischen und italienischen Höfen des 15. bis 17. Jahrhunderts sammelten. Im Alter verfassten diese Herren zynische, aphoristisch zugespitzte Werke, die mit der illusionslosen Darstellung dessen, wozu Menschen fähig sind, auch heute noch zu schockieren vermögen. Die Ausführungen von Machiavelli (1469-1527), Guicciardini (1483-1540), La Rochefoucauld (1613-1680) und La Bruyère (1645-1696) vermitteln uns einen lebendigen Eindruck davon, welche Strategien Angestellte neben ihren eigentlichen Aufgaben beherrschen müssen, um sich im Beruf zu behaupten:
Hüte dich vor deinen Kollegen
»Menschen sind so falsch, so hinterhältig, so trügerisch und listig in ihren Ränken, so sehr auf den eigenen Vorteil bedacht und so rücksichtslos gegen die Belange anderer, dass du nicht fehlgehst, wenn du ihnen wenig glaubst und noch weniger vertraust.«
Guicciardini
»Wir müssen unsere Feinde so behandeln, als könnten sie eines Tages unsere Freunde werden, und unsere Freunde, als könnten sie eines Tages unsere Feinde werden.«
La Bruyère
Bediene dich der Lüge und der Übertreibung »Die Welt belohnt den Anschein des Verdienstes eher als das Verdienst selbst.«
La Rochefoucauld
»Bist du mit wichtigen Angelegenheiten befasst, trachte stets danach, deine Fehler zu verbergen und deine Erfolge zu übertreiben. Das ist zwar Schwindel, aber da dein Schicksal eher von der Meinung anderer abhängt als von den Tatsachen, ist es ratsam, den Eindruck zu erwecken, dass alles zum Besten steht.«
Guicciardini
»Du bist ein Ehrenmann? Willst den Günstlingen weder gefallen noch missfallen? Fühlst dich nur an deinen Herrn und deine Pflicht gebunden? du bist verloren.«
La Bruyère
Schrecke nicht vor Drohungen zurück
»Es ist weit sicherer, gefürchtet als geliebt zu werden, ... denn die Liebe hängt am Bande der Dankbarkeit, das, wie die Menschen leider sind, bei jeder Gelegenheit zerreißt, wo der Eigennutz im Spiel ist; die Furcht vor Strafe aber lässt niemals nach.«
Machiavelli
»Da die meisten weder besonders gutartig noch besonders klug sind, muss man sich eher auf die Strenge denn auf die Freundlichkeit verlassen.«
Guicciardini
Sicher, man mag lernen können, die Samthandschuhe eines Höflings über die eisernen Fäuste zu ziehen, die Kollegen zu umschiffen wie eine von Riffen starrende Küste, aber der Gedanke, dass es nötig sein könnte, ist kaum beruhigend. Von der Warte des Büros oder der Werkhalle wird manchem die Verlockung von drei Morgen Land, einer Schar Enten und der Freiheit durchaus verständlich.
4. Abhängigkeit von der Wirtschaftskraft des Arbeitgebers Wie sicher der eigene Job tatsächlich ist, hängt nicht nur davon ab, wie man sich innerhalb der Firma platziert, sondern auch von der Überlebensfähigkeit der Firma in Marktsegmenten, in denen nur wenige Player ihre Position und ihre Preise länger halten können. Im scharfen Wind des Wettbewerbs kennen viele Beschäftigte das Gefühl, auf einer brüchigen Eisscholle zu treiben, denn die Personaleinsparung ist
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