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StatusAngst

StatusAngst

Titel: StatusAngst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alain de Botton
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versagen.
    So vielgestaltig wie die Determinanten des Status sind begreiflicherweise auch die Auslöser der Statusangst. Je nach Gruppenzugehörigkeit haben wir Angst, dass uns das Jagdglück verlässt, dass wir in der Schlacht versagen, dass unser Glauben an Gott schwindet oder dass wir auf die falschen Aktien setzen.
     
3
     
    Allen, die an den gesellschaftlichen Statusidealen ihrer Umwelt zu verzweifeln drohen, bietet schon eine in groben Zügen skizzierte Geschichte des Status immerhin diese eine positive und ermutigende Erkenntnis: Die herrschenden Ideale haben keinen ewigen Bestand. Sie haben sich stets geändert und werden es auch in Zukunft tun. Und der Prozess der Änderung lässt sich am besten mit dem Wort »Politik« beschreiben.
    Im politischen Kampf werden die unterschiedlichsten Gruppierungen das Evaluierungssystem ihrer Gesellschaft in ihrem Sinne zu gestalten und für sich selbst gegen den Widerstand derer, die dabei etwas zu verlieren haben, Würde und Ansehen zu sichern suchen. Derartige Konflikte werden an der Wahlurne ausgetragen — oder mit Waffen, Streiks, manchmal auch Büchern. Und alle Gruppierungen werden bestrebt sein, den hohen Status zu erringen, der ihnen nach eigener Auffassung zusteht.
     

 
     
     
     
     
III. Politik

 
     
     
     
     
Die moderne Statusangst aus politischer Perspektive
     
1
     
    Wenn die Fähigkeit Jaguare zu erlegen, Menuette zu tanzen, ein Schlachtross zu lenken oder Jesus nachzueifern, in der westlichen Welt keine Erfolgsgarantien bietet, muss es andere Möglichkeiten geben, einen hohen Status zu erwerben.
    Zumindest provisorisch könnten wir einige Merkmale des modernen Erfolgstyps zusammentragen, der die Nachfolge der ehemaligen Statusinhaber angetreten hat — der Krieger, der Heiligen, der Ritter, der aristokratischen Gentlemen mit viel Grundbesitz.
     
    Kriterien für hohen Status in:
     
    London, New York, Berlin oder Sydney im Jahr 2002
    Zur Kategorie der Erfolgsmenschen gehören Männer wie Frauen jeder Hautfarbe, die durch eigenen Einsatz (und nicht etwa durch Erbschaft) in einem der unzähligen Zweige der Ökonomie (auch Sport, Kunst und Forschung) zu Geld, Macht und Ruhm gelangt sind. Weil die moderne westliche Gesellschaft »meritokratisch« orientiert ist, wird finanzieller Erfolg als wohlverdient angesehen. Die Fähigkeit, Reichtum anzuhäufen, wird auf mindestens vier Kardinaltugenden zurückgeführt: Kreativität, Risikobereitschaft, Intelligenz und Stehvermögen. Andere Tugenden, Bescheidenheit etwa oder Frömmigkeit, finden selten Beachtung. Dass Erfolge nicht mehr dem »Glück«, der »Vorsehung« oder einem Gott zugeschrieben werden, ist ein Ausdruck des modernen, säkularisierten Glaubens an individuelle Willenskraft. Dementsprechend wird auch das finanzielle Scheitern als selbstverschuldet angesehen, und Arbeitslosigkeit gilt in ähnlicher Weise als Schande wie in früheren Zeiten die Feigheit eines Kriegers. Geld wird ethischer Wert zugesprochen. Sein Vorhandensein ist ein Beleg für die Tugenden des Besitzers - genauso wie die materiellen Güter, deren Erwerb es erlauben kann. Ein Leben im Überfluss signalisiert, wie der Halsschmuck aus Jaguarzähnen, der den Häuptling der Cubeo auszeichnet, hohe Verdienste, während ein altes Auto oder ein schäbiges Interieur geradezu moralische Defizite vermuten lässt. Reichtum verheißt nicht nur Status, sondern auch Glück, denn man kann sich ungehindert den Freuden des Konsums hingeben. Und dass frühere Generationen ohne die glitzernde Warenwelt auskommen mussten, erfüllt manch einen mit Staunen und Mitleid.
     

 
2
     
    Wie naturgegeben uns dieses Statusideal auch erscheinen mag, es ist, wie uns die politische Perspektive belehrt, Menschenwerk und eine relativ junge Entwicklung, deren Anfänge sich in die Mitte des 18.Jahrhunderts zurückverfolgen lassen und die durch eine Vielzahl benennbarer Faktoren bedingt ist. Die politische Sicht macht zudem deutlich, dass dieses Ideal sich gelegentlich recht dumm und verlogen ausnimmt, gelegentlich unfair und nicht unumstößlich.
    Kein Aspekt des modernen Statusideals ist häufiger unter die Lupe genommen worden als die Relation von Reichtum und Tugend beziehungsweise Armut und moralische Fragwürdigkeit. In seinem Buch Theorie der feinen Leute (1899) beschreibt Thorstein Vehlen, wie Geld zu Beginn des 19. Jahrhunderts zum Hauptbewertungskriterium der Nationalökonomien wurde. »Der Reichtum ist zur allgemeinen Grundlage für die

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