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Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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nicken, so blinzelte sie mit einem Auge – das linke Lid rührte sich nicht.
    „Okay. Ich bin gleich bei dir.“
    Der Schatten von Kristins Gesicht verschwand. Gleich darauf wurde ein Stroh-halm in ihren Mund eingeführt.
    „Hier. Nur trink nicht zu viel.“
    Mirjam saugte das zimmerwarme Wasser. Das Schlucken fiel ihr schwer. Die Flüssigkeit spülte den faden Belag von ihrer Zunge. Bald zog Kristin den Stroh-halm zurück.
    „Das reicht erst mal.“ Sie stellte das Glas ab.
    Mirjam starrte an die Decke. Die ersten Minuten ihres dahinvegetierenden Lebens hatte sie hinter sich gebracht. Und jetzt? Die Menschen würden zu ihr kommen, ihre Hand halten und gehen, und sie würde jahrelang im Bett liegen und die Decke anstarren.
    Nein, das konnte sie nicht ertragen!
    Mirjam wollte die Hände ballen und spürte, wie die Finger sich leicht rührten. Sie hielt inne. Jetzt noch einmal! Schwach kratzten ihre Nägel über das Laken. Gefühl kehrte in ihren gelähmten Körper zurück, es prickelte unter der Haut, als wäre alles eingeschlafen gewesen. Langsam drehte sie den Kopf zu Kristin. Stockend und rau kamen die Worte über ihre Lippen, der Kloß in ihrem Hals hinderte sie am Sprechen.
    „Wie lange war ich weg?“
    „Über 22 Stunden. Rede nicht so viel. Du musst erstmal zu Kräften kommen.“
    Mirjam massierte ihre Schläfen und die linke Wange, befühlte den Mund. „Es ist schon Samstag?“ Es erfüllte sie mit Traurigkeit, den Schabbes nicht gefeiert zu haben. Und wie oft hatte sie schon in den letzten Tagen die Gebete vergessen! Entfernte sie sich von ihrem Volk und seinen Traditionen? Führte der Drache sie vom rechten Weg ab?
    „Was ist mit mir passiert?“
    Ihr Gehirn produzierte Bilder: Die Schrift von Luzzatto in Max’ Hand. Sie mussten herausfinden, was mit den entschlüsselten Worten gemeint war. War es ihnen gelungen? Es folgten weitere Bilder, schwarzweiß und zittrig, kein einziges davon vermochte Mirjam lange genug festzuhalten, um das Motiv zu erkennen.
    Schmerzen. Sie erinnerte sich an Schmerzen, als würde ihr Gehirn zermahlen, als griffen Dutzende eiskalte Finger unter ihren Schädel und rissen Stück für Stück von dem Gewebe ab. Nein! Weg damit! Fort! Sie stöhnte und schüttelte den Kopf. Die Bewegung rief Übelkeit hervor und sie würgte.
    Kristin streichelte ihren Arm. „Du darfst dich nicht so anstrengen. Ich weiß nicht genau, was passiert ist. Du hast geschrien.“ Sie senkte den Blick. „Ich dachte, Max hätte dir etwas angetan. Weißt du, nach dieser Klostersache. Daniel und ich haben euch auf dem Boden vorgefunden. Du hast ausgesehen, als hättest du einen Hirnschlag. Und Max – er hatte einen schrecklichen Anfall, ein wenig wie Epilepsie. Irgendwann kam er zu sich und meinte, es würde dir bald besser gehen. Da er allerdings die ganze Zeit nicht von deiner Seite gewichen ist, hatte ich da meine Zweifel. Aber ich wollte ihm glauben.“
    Mirjam lächelte schwach. „Er hat doch immer Recht. Wo ist er jetzt?“
    „Unter Androhung von körperlicher Gewalt habe ich ihn vor einer Stunde aus dem Zimmer gescheucht. Ich hoffe, er schläft jetzt ein bisschen. Er machte nämlich den Eindruck, er würde jeden Moment wieder umkippen und das konnte ich überhaupt nicht gebrauchen.“ Noch während sie sprach, trat Max ein. Kristin schlug sich auf die Stirn. „Max? Habe ich vorhin Schwedisch rückwärts gesprochen? Du sollst dich ausruhen.“
    „Du hast versprochen, mich zu rufen, wenn sich etwas ändert“, erwiderte er dumpf.
    Ohne Kristins aufbrausendes ‚Pfft!’ zu beachten, kniete er sich vor das Bett. Mirjam zog sich ein paar Strähnen über das Gesicht. Viel zu gut konnte sie sich ausmalen, wie sie aussehen musste. Doch Max strich ihr das Haar zur Seite und drückte seine Stirn an die ihre.
    „Wenn ich sage, du sollst meine Hand unter keinen Umständen loslassen, dann hat das einen Grund.“ Er gab ihr einen Kuss auf die Lippen. „Du hast uns allen eine ziemliche Angst eingejagt.“
    Mirjam betrachtete sein blasses Gesicht. Dunkle Ränder hatten sich unter seine Augen gelegt und sein Blick war matt. Wie lange war er schon auf den Beinen? Er hätte wirklich lieber ausruhen sollen.
    „Was genau ist geschehen? Ich kann mich kaum an etwas erinnern.“
    „Es ist meine Schuld. Ich habe dich mitgezogen, wo du gar nicht hin durftest. Als du mich losgelassen hast, brach alles zusammen, deine Verbindung zur dortigen – wie soll ich das sagen? – Dimension, und zu dieser.“ Er strich ihr

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