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Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
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kratzte sich unter dem Gipsrand. „Sie haben selbst gesagt, Jonathan soll die Schrift nicht einfach so bekommen, damit er keinen Verdacht schöpft. Ich wollte nur …“
    „Es ist mir egal, was Sie wollten!“ Friedmann richtete seine Brille. „Ab sofort halten Sie sich aus dieser Angelegenheit raus. Jonathan existiert für Sie nicht mehr. Gehen Sie nach Hause. Und bedenken Sie in Ihren Gebeten diejenigen, die wegen Ihrer Inkompetenz sterben mussten.“
    Festen Schrittes ging Friedmann um den Wagen herum, schob sich auf den Fahrersitz und startete den Motor. Tilse beobachtete, wie der Opel hinter einem Haus verschwand. Was fiel diesem alten Fanatiker eigentlich ein? Er war doch kein Lausbub, den man einfach so ersetzte!
    Auf dem Weg zur U-Bahn plagten ihn die Bilder des Massakers. Tilse beschleunigte die Schritte, doch er konnte den Bildern nicht entfliehen. Wie sehr es auch schmerzte, in einem hatte Friedmann Recht: Seine Überheblichkeit hatte die Mönche das Leben gekostet.
    Er ertappte sich dabei, die Klosterbrüder nicht mehr ‚Schädel’ zu nennen. Diese wenigen Tage hatten seine Einstellung zum Kloster, der Organisation und sich selbst verändert. „Es waren auch meine Männer“, zischte er und erntete einen trüben Blick seines Gegenübers im Zug. Die U-Bahn schloss die Türen und ratterte durch den Tunnel.
    Zu Hause angekommen, schob Tilse ein Fertiggericht in die Mikrowelle, auch wenn allein der Geruch dieser Pampe Übelkeit hervorrief. Was mochte Sandra heute wohl gekocht haben? Vielleicht Dampfnudeln mit Vanillesoße? Hmm … das Wasser lief ihm im Mund zusammen und er schmeckte die warme Soße auf der Zunge.
    Im Wohnzimmer nahm er den Telefonhörer ab und tippte eine Nummer ein.
    „Schöbel“, erklang es fast sofort am anderen Ende.
    „Tilse hier. Haben Sie schon etwas Neues über Jonathan?“
    Aus dem Hörer ertönten Atemgeräusche. „Tja. Gerade eben hat Friedmann mich angerufen. Wie es aussieht, sind Sie suspendiert.“
    Verdammt! Tilse rieb seine Lippen aufeinander. „Wissen Sie auch, warum?“
    „Ehrlich gesagt, interessiert mich das nicht. Ich bekomme mein Geld und dazu auch noch meinen Spaß. Was kümmern mich eure Spielchen?“
    „Darf ich vielleicht erwähnen, dass es vor allem mein Geld ist, das Sie bekommen?“
    Wieder lauschte er den Atemgeräuschen, bis Schöbel weitersprach. „Ohne Friedmann wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Mit seinen Beziehungen hat der Alte viel für mich getan.“
    „Aber jetzt sind Sie dort und Ihre weitere Karriere werden Sie auch ohne ihn schaffen. Friedmann ist von seinem Fanatismus geblendet. Er sieht nichts mehr. Er jagt einem Hirngespinst nach. Oder glauben Sie wirklich, dass Jonathan der Sohn Gottes ist?“
    „Sie nicht?“
    „Dass Jonathan heilen kann, macht ihn noch lange nicht zu einem göttlichen Wesen. Er besitzt totipotente Zellen, aus denen sich jedes Organ bilden kann. Und das mit einer unglaublichen Geschwindigkeit. Können Sie sich vorstellen, wie viel diese Fähigkeit wert ist?“
    Schöbel lachte. „Zugegeben, Organhandel auf dem Schwarzmarkt ist eine Goldgrube. Nur stelle ich es mir schwer vor, einen nicht ganz so unbekannten Geiger zu zwingen, Organe wie am Fließband zu produzieren.“
    „Das ist in der Tat eine utopische Idee. Allerdings habe ich einen – sagen wir mal – Abnehmer gefunden, der bereit ist, für Jonathan eine beachtliche Summe hinzulegen. Was mit ihm dann geschieht, ist mir ehrlich gesagt egal.“
    „Und was genau wollen Sie von mir?“
    „Ohne Ihre Hilfe werde ich Jonathan nicht finden können, auf jeden Fall nicht schnell genug. Selbstverständlich werden Sie für Ihre Mühen entlohnt.“ Tilse schmunzelte und setzte sich auf die Lehne des Sofas. „Und was den Spaß angeht – haben Sie schon gehört, was er im Kloster angestellt hat? Erzählen Sie mir nicht, mit ihm wäre es langweilig.“
    Schöbel lachte noch lauter auf. „Ich mag Ihre Art. Wie hoch wäre denn mein Anteil?“
    „Fünfzigtausend Euro.“ Nichts im Vergleich zu dem, was er selbst erhalten würde.
    Die Atemgeräusche beschleunigten sich leicht. „Ich bin dabei. Sobald ich etwas erfahre, melde ich mich.“
    Nach dem Telefonat kehrte Tilse in die Küche zurück und stocherte in seinem Gulasch. Nach wenigen Bissen warf er den Plastikteller in den Müll. Einige Zeit zappte Tilse durch die Kanäle, dann schaltete er die Kiste aus. Das lachende Gesicht seiner Tochter schwebte vor ihm, das süße Mäulchen, mit Zuckerwatte verschmiert.

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